Michael Keiner hat unrecht – Schopenhauer hat recht – Nichts Neues also

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Anmerkung der Redaktion : Diese schräge Replik folgt auf Doc Keiners letzten Videoblog aus Barcelona.

Wenn die Betrüger wissen, wenn ich hier was durchziehe gibt es nicht nur Verbannung vom Casino – vielleicht eine zivilrechtliche Klage – dann gibt es Knast und zwar richtig. Dann gibt es Jahre Knast und das muss kommen.” – Michael Keiner

Die Wilden fressen einander, und die Zahmen betrügen einander“. Artur Schopenhauer

Das darf doch nicht wahr sein. Fünfzehn Jahre kenne ich den Doc. Zwei Jahre davon waren wir uns böse und gram – verschwendete Lebenszeit wie ich meine. Letztes Frühjahr haben wir uns dann wieder versöhnt, waren nett essen, alles war wieder gut und geschmeidig. Jetzt muss ich aber tun, was in meinen Augen getan werden muss und ich muss einfach schreiben, an was ich glaube und gegen das antreten, was ich fürchte. Mögen nicht wieder zwei Sommer ins Land gehen. Mögen die Milde des Alters uns beide diesmal ein wenig schneller versöhnen. – Außerdem bin ich mit dem Bezahlen der Rechnung dran. Vielleicht hilft mir das ein wenig.

Klar sie werden dem Michael Keiner die Schultern blau klopfen. Sie werden ihn zum Helden des Jahres küren. Endlich einer der sich traut zu sagen was Sache ist. In den Knast mit den Betrügern und zwar gleich für Jahre und richtig auch noch! Dabei redet Keiner dem Pokervolk keineswegs nach dem Mund. Viel schlimmer, er meint es wirklich so. Es sprudelt aus ihm heraus und seine Gefühle sind lauter und ehrlich. Klar muss das sanktioniert werden was man so hört und Tallin und WPT Barcelona für den Fall der Fälle. Wer am Pokertisch betrügt sollte daran gehindert werden und wenn das Geld noch da ist, sollte es dann bitte doch zurückgegeben werden. – Aber bitte das Mass muss gehalten werden. Rache ist dumpfes Gefühl und der besagte Knast hilft niemandem.

Dumpfe Gefühle sind mir nicht fremd. An guten Tagen schäme ich mich und an schlechten Tagen bin ich stolz auf sie. Wenn ich zu einem meiner zahlreichen Arbeitsplätze fahre muss ich durch eine dieser erbärmlich Vorstadtstraßen. Untergewichtige junge Roma-Mädchen stehen in der eisigen Nachtluft. Knapp und dünn angezogen, große traurige Augen und die Aufpasser sind immer in der Nähe. Sitzen da im warmen Auto, rauchen bulgarische Marlboro oder slowakische Gauloises und warten auf die Beute der Schande – Was würde ich diesen Bastarden gerne meine brennenden Socken in den Benzintank stopfen. Aber es gehört sich nicht, ist verboten und würde auch am Lauf der Welt nichts ändern.

Wobei den Aufruf zur Selbstjustiz kann man Michael wirklich nicht vorwerfen. Die Fantasien von Vergeltung und Bestrafung bleibt den aufgeregten Kommentierern vorbehalten. Da werden auch gerne mal “ein paar Albaner” vorbei geschickt und von “Ratten” und “Königsratten” fabuliert. Allerdings für mich stellt sich die Frage, ob Keiners Forderung nach “richtig Knast” nicht fast so überzogen scheint. – Ein befreundeter Pokerspieler hat es auf den Punkt gebracht. Durch die angeblich deutenden Komplizen herrscht am Finaltisch eine bedrohliche “Informationsasymmetrie”. Die einen wussten mehr als die anderen und das ist nicht fair und massiv unfein. Zusätzlich haben die vermeintliche Funker und Deuter als Blogger getarnt dem Delikt der Täuschung schuldig gemacht. Sie hatten sich als Journalisten akkreditiert und nicht als persönliche Assistenten und Freunde des Nürnberger Pokersports. Mit dem Pulitzerpreis wird das wohl nichts mehr in diesem Leben und wenn der dicke Fotograf seinen japanischen Teil als Arbeitswerkzeug von der Steuer absetzen möchte, werde ich wohl ein Veto einlegen (sollte mir das als EU-Bürger überhaupt zustehen).

“Informationsasymmetrie” und “Täuschung” sind am Pokertisch gang und gebe. Der dumme Reiche mit dem üblen Mundgeruch wird von den Pros hofiert. Seinen Theorien und Geschichten wird zugehört, über seine lahmen Witze wird gelacht und wenn es sich wirklich auszahlt, schiebt man auch mal einen peinlichen Dreier im nächsten Puff. Hauptsache das Geld wird irgendwann ausgepackt und es wird gezockt. Statt ins Gesicht gekotzt wird der Reiche wie ein Freund behandelt. Ich habe das tausendmal gesehen und war wohl das eine oder andere Mal dabei – Soweit die “Täuschung”.

Die Asymmetrie der Informationen brauche ich wohl nicht in der selben Ausführlichkeit zu erläutern. Der Dumme ist dumm, weiß nichts, versteht noch weniger und macht alles falsch was man nur falsch machen. Der Superheld der Karten weiß alles, sieht alles und kennt jeden Kniff und jeden Trick. Nur weiß er manchmal nicht mehr wie er aus dem Arsch des Freiers wieder herausfindet, aber das ist sein Problem.

Natürlich kann man das in letzter Konsequenz nicht wirklich vergleichen. Der Superheld begeht maximal das Delikt der Unterlassung, indem er nicht sagt was er denkt und fühlt, sondern danach trachtet auf semi-ehrliche Art seinen Profit zu maximieren. Die angeblich “Überführten” von Barcelona und Tallin haben da schon deutlich mehr am Kerbholz, wenn die Vorwürfe stimmen. Fremden Spielern in die Karten zu schauen und diese Informationen weiterzugeben ist auch im moralischen und wahrscheinlich auch im strafrechtlichen Sinne ziemlich “asymmetrisch”. – Aber wenn ein kultivierter und gebildeter Mensch wie Michael Keiner gleich massiven Knast fordert muss ich einfach meine wohl ungehörte Stimme erheben. Lasst bitte die Kirche im Dorf und die unkorrekten Jungs in den dunklen Nürnberger Hinterzimmer.

Außerdem sollten wir doch den Schopenhauer nicht enttäuschen. Der ist ja nicht zufällig so bekannt obwohl er meines Wissens nicht einmal beim Hendon Mob gelistet ist. Der hat sich ja sicher etwas gedacht bei dem von mir gebrachten Zitat. Wir Menschen entwickeln uns als Menschheit weiter. Wir erbringen – mit tragischen Unterbrechungen – eine Kulturleistung, die sich unter anderem in der Diffizilität der Mitteln und Methoden manifestiert. Knast zu fordern für ein Delikt dieser Schwere ohne zu wissen was Knast ist und was Knast bedeutet retariert uns Pokerspieler wieder ein wenig in Richtung der überwunden geglaubten Wilden. – In diesem Sinne hoffe ich auf einen “zahmen” Keiner im Leben und einen weiterhin “wilden” Keiner am Spieltisch. – Danke für die Aufmerksamkeit.

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