Big Brother am Pokertisch: Bauernfunk war gestern

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Betrug beim Live-Poker ist ein Dauerthema. Zuletzt sorgte der Fall Ali Tekintamgac für Aufsehen. Dessen Blogger-Entourage spähte die Karten der Gegner aus und übermittelte sie mit Hilfe des Bauernfunk an Ali. Der wurde bekanntlich beim Finale der Partouche Poker Tour erwischt und wegen Betrug disqualifiziert. Die französischen Behörden ermitteln gegen ihn. Hochgepokert hat ausführlich berichtet. Doch Ali Tekintamgac ist nur ein Fall – und vermutlich nicht der letzte. Womit werden wir demnächst konfrontiert?

Handarbeit und Bauernfunk werden abgelöst von modernster Technik, die dem Super-Agenten 007 Ehre machen würde. Die Liste ist lang: Infrarotfarbe, unauffällige Markierungspulver, Karten mit eingebauten Mikrochips, Infrarotbrillen und -kontaktlinsen, Mini-Mikrophone, präparierte Handys.

Die Entwicklung blieb Hochgepokert und auch unseren Leserinnen und Lesern nicht verborgen. René Sommer machte uns auf den Onlineshop Gamble Romania aufmerksam, dessen Verkaufsschlager speziell präparierte Sonnenbrillen und Kontaktlinsen sind. „You make the Game“, ist der Slogan der Site. Für 1690 Euro gibt’s das Set für den Einsteiger. Im Paket enthalten sind Kontaktlinsen zur Erkennung von Spezialfarben, eine entsprechende Brille und ein bereits gezinktes Kartendeck der weitverbreiteten „Bee“ Cards.

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Diskret per E-Mail bestellt und über PayPal, Western Union oder MasterCard bezahlt, erreicht das Set in wenigen Tagen seinen neuen Besitzer. Was der damit anstellt, bleibt seine Angelegenheit. Der Shopbetreiber stellt keine lästigen Fragen. Zwar wird in der Unternehmensbeschreibung darauf hingewiesen, dass man seit 1996 an der Entwicklung von Magier- und Zaubertricks arbeitet, aber ein Hinweis oder gar ein Verbot zum illegalen Einsatz fehlt. Der Kunde bestellt, Gamble Romania liefert.

„Ich habe Bauklötze gestaunt, was alles möglich ist“, sagt René Sommer. „Erst der Wirbel um Ali und den Bauernfunk, dann der Betrug bei der Full Tilt Million Euro Challenge und jetzt Big Brother am Pokertisch!“ René wandte sich an Hochgepokert, fragte, ob wir der Sache nachgehen können. Das haben wir natürlich getan.

Auf Youtube wurden wir nach langer Suche fündig. Dort sind einige Videos verfügbar die den Einsatz und die Wirksamkeit dieser Betrugsinstrumente detailliert zeigen. Und so läuft’s: Die Karten werden mit Hilfe einer speziellen Tinktur auf der Rückseite markiert. Diese Tinte ist auf der Kartenoberfläche nicht zu erkennen, da die von ihr reflektierte elektromagnetische Strahlung außerhalb der Wahrnehmungsbereiche des menschlichen Auges liegt. Durch die präparierten Kontaktlinsen werden diese Reflektionen und damit die Markierungen sichtbar.

Auch ein Onlinehändler aus Hamburg bietet das Equipment an. Auf seinen Seiten steht, dass die Markierungsflüssigkeit bis zu acht Wochen auf Karten jeglicher Coleur haftet. Die Kontaktlinsen sollen eine Lebensdauer von bis zu fünf Jahren haben. Sie funktionieren bis zu einer Reichweite von sieben Metern problemlos. Ein handelsüblicher Pokertisch ist kaum drei Meter lang. Wo bekommt der Händler die Ware her? Wen beliefert er? Wer sind seine Kunden? Der Händler war telefonisch nicht erreichbar.

Zum technologische Großangriff auf die Pokertische kann mit Unterstützung asiatischer Firmen geblasen werden. Die Chengdu Magic Technology Co. Ltd. beliefert von der westchinesischen Provinzhauptstadt Chengdu aus Kunden in der ganzen Welt mit High Tech. Ganz oben auf der Verkaufspalette stehen Komplettsysteme zur Erkennung von Karten und der Übermittlung von Informationen mittels Mobilfunktechnik.

Die benötigten Spezialkarten werden selbstverständlich mitgeliefert. Ist man mit einem solchen System ausgerüstet, muss man nur noch eine Pokerrunde auf die Beine stellen, sich an den Tisch setzen und abkassieren. Gewinnen ist reine Formsache.

Die Karten sind am Rand mit Strichcode versehen. Der wird durch eine Mikrokamera, die sich in einem handelsüblichen Handy befindet, aufgenommen. Das Handy muss lediglich auf dem Tisch liegen – die Technik besorgt den Rest.

Die von der Kamera aufgenommenen Bilder landen direkt auf einem Computer, der sich weit vom eigentlichen Geschehen entfernt befindet und der von einer anderen Person bedient wird. Die Strichcodes erscheinen auf dem Bildschirm, werden ausgewertet und die Ergebnisse über Funk an einen kleinen Empfänger im Ohr des Spielers durchgegeben. Zwischen 5200 und 8900 US-Dollar kostet die Ausrüstung.

Aber es geht noch eine Spur kompakter, noch kleiner und ohne die Notwendigkeit eines Partners. Gebraucht werden lediglich die Karten, ein Spezialhandy aus der chinesischen High-Tech-Schmiede und ein Empfänger für’s Ohr – fertig ist die totale Kartenkontrolle. Wir haben in China angefragt, ob es Vorkehrungen gibt, mit denen verhindert werden soll, dass sich Betrüger mit der Spezialausrüstung eindecken. Eine Antwort haben wir noch nicht …

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