Ich hasse Detlef Soost – Pokerstars.de sucht das PokerAss – Wem die Stunde schlägt

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„His gray face had a look of decay. His face looked as though it were modeled from the waste material you find under the claws of a very old lion.“
– Ernest Hemingway, For Whom the Bell Tolls, Ch. 42


Für jeden kommt dieser unwiederbringliche Moment. Diese einmalige Chance, die man man eben nur einmalig hat und die man ehren, achten und vor allen Dingen, nutzen muss. Thomas der Investmentbanker hat seine Gelegenheit gehabt und er hat sie eben ungenützt verstreichen lassen. Möge ihm Glück und Schicksal hold sein und gönnen wir ihm alle, die wir dabei waren, doch noch eine zweite Chance. Allerdings, ich fürchte sie wird nicht kommen. Mag der Postmann vielleicht tatsächlich zweimal klingeln, die Vorsehung ist da viel empfindlicher. Thomas der Investmentbanker wird noch lang an diesen Tag in Las Vegas denken. Wenn er  nächtens nicht schlafen  wird können, um sich unruhig von einer Seite auf die andere zu werfen, wird immer dieser brutale Satz da sein und wird ihn verfolgen  auf immer und ewig und darüber hinaus: „Nimm den Mädchenreifen“.

Vielleicht habe ich diese Sendung gründlich unterschätzt. „Pokerstars.de sucht das PokerAss“ ist mehr als eine platte Dokusoap mit dürftigen Pokerinhalten. Und diese auf den ersten Blick so unsäglichen und sinnbefreiten „Challenges“ helfen tatsächlich den Spreu vom Pokerweizen zu trennen. Diesmal galt es einen paramilitärischen Hindernissparkur zu überwinden. Wir alle haben „Ein Offizier und Gentleman“ gesehen und sicher auch verstanden. Einer kriecht durch den Dreck und der andere brüllt sich die Seele aus dem Leib. Am Ende wird man befördert und darf Debra Winger küssen (wenn man will). – Der im Dreck diesmal unser Investmentbanker und den Brüller gab Detlef Soost. Unter allen üblen Folterknechten des Privatfernsehens die härteste Nummer und somit eine erstklassige Wahl. Im Brotberuf Tanztrainer und Castingjury-Mitglied auf Lebenszeit. Als Choreograph ruiniert  er seit mehr als einem Jahrzehnt die gesunde Grundmotorik junger Menschen. Die Ästhetik der jungen Back Street Boys hält Detlef Soost gnadenlos hoch und irgendwann zucken die ihm anvertrauten Leiber wie orientierungslose Tunten auf billigem Amphetamin aus ebenso billigen polnischen Labors.

Zurück zu „Pokerstars.de sucht das PokerAss“ und der Challenge Hindernissparkur. Erst musste Thomas einen riesigen Autoreifen mit einem Vorschlaghammer vorwärts prügeln und wurde dabei von Detlef Soost angebrüllt. Dann musste er einen Baumstamm werfend über eine Distanz treiben und wurde dabei von Detlef Soost angebrüllt. Dann galt es sich an einem Seil über eine Wand hochzuziehen und dabei wurde Thomas – richtig geraten – von Detlef  Soost angebrüllt. Als nächstes zwanzig Liegestützen während Detlef brüllt. Balancieren, Detlef brüllt. Unter einem Netz krabbeln, Detlef brüllt und ein neues Seil endlich verweigern, worauf Detlef wieder brüllt  eher er dann folgenden Satz formuliert: „Jetzt mach es endlich! Du gehst mir auf den Sack, weil du es kannst. Du kotzt mich an!“ und nach einer kurzen dramaturgisch gesetzte Pause in maximal abfälligem Tonfall: „Nimm den Mädchenreifen.“ (Chor im Hintergrund Sophie Thomalla)“Nimm den Mädchenreifen. Nimm den Mädchenreifen!“.


Und Thomas nimmt den Mädchenreifen. Ein etwas kleineres Ding mit Kordel, wahrscheinlich ein ausgedienter Traktorreifen. Zerrt das Teil tatsächlich über die Ziellinie und versäumt die Chance seines Medienlebens. Spätestens in diesem Moment hätte Thomas dort ansetzen müssen, wo Carsten Spengemann beim Promiboxen  so tragisch scheitern musste. Wir sind doch Pokerspieler und kein Stück Dreck. Wir lassen uns dich nicht von seinem Idioten anbrüllen, wir klettern auch keine Bretterwände an Seilen hoch. Wir zünden den Plunder an,  gehen entweder rundherum, oder bezahlen zwei Albaner dafür, dass sie die Bretterwand abreißen. Und vor allen Dingen, wir Pokerspieler lassen uns von den Detlefs  dieser Welt nicht anbrüllen. Für das Wort „Mädchenreifen“ gäbe es sowieso eine aufs Maul. Dabei spielt auch keine Rolle, ob man gewinnt oder verliert.  – Thomas hätte berühmt werden können für alle Zeit. Sein Gesicht wäre in jedem Jahresrückblick 2011 zu sehen gewesen. Der  Eintrag  auf Wikipedia wäre nur eine Formsache gewesen und wer weiß vielleicht gäbe es so gar eine Konfettiparade am Flughafen. Ich wäre an vorderster Reihe gestanden und Papierschlangen hätte ich auch dabei gehabt.

Egal. Es ist vorbei. Versäumte Chance, vergebenes Leben. Eigentlich wollte ich noch so viel mehr zur Sendung schreiben und habe mich jetzt bei dieser eine Sache doch ein wenig verplaudert. Dafür bitte ich um Entschuldigung. Es hat mich einfach alles ein wenig zu sehr emotional mitgenommen. Immerhin konnte ich mein allerliebstes Ernest Hemingway Zitat bringen und an passender Stelle auch noch.  Und außerdem kann ich meinen jungen Lesern auch wieder ein klein wenig Weisheit auf den Pokerweg mitgeben. Soviel Geld kann man gar nicht gewinnen, dass man es nicht verlieren könnte und anderseits kann es auch noch so böse laufen, irgendwann scheint dann wieder die Sonne vom Casinohimmel. Deswegen sollte man sich niemals zu viel Gedanken über das gar nicht so liebe Geld machen. – Mit dem Stolz muss man da schon viel heikler sein. Der erholt sich deutlich schwerer und braucht sorgsame Pflege. In diesem Sinne lass wir uns eben nicht nachhaltig anbrüllen. Von niemandem und schon gar nicht von Detlef Soost.

G.Schrage


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