Citypoker Lugner City – Der Tarantino-Moment – Das atemberaubende Dekolletee

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„‎That’s when you know you’ve found somebody really special. When you can just shut the fuck up for a minute and comfortably share silence.“Pulp Fiction

Später Nachmittag. Der Mann trägt zum roten Trainingsanzug ein weißes geripptes Unterhemd und jene legendären Adiletten, die Männern mit zerstörten Gesichtern wie Frank Ribery vorbehalten sein sollten. „Guten Morgen“ sagt der junge Türke auf Platz Zwei und lacht. Der Mann mit dem roten Trainingsanzug lacht nicht, schlurft zur Kellnerin, beugt sich herunter und küsst sie. Man meint das leise Klirren der üppigen Goldketten zu hören. Am Nebentisch sitzt eine chinesische Oma strickt und schimpft. Ich fühle mich irgendwie wohl und irgendwie daheim. Ich bin im „City Poker -Lugner City“ und alles ist gut.

Wenn man Poker spielt muss man Ziele haben und im Leben sowieso. Geld gehört bestenfalls zu den Nebenzielen. Geld ist viel zu flüchtig, unverlässlich und auf lange Sicht auch langweilig. Was bleibt sind diese Momente, die einem niemand wegnehmen kann und die man auch niemals wieder verliert. – Wer sich da in die gar nicht so düstere Wiener Vorstadt wagt liegt gut in der Chance. Ein schmuckes kleines Casino direkt unter dem Dach eines Einkaufszentrums gelegen. Paris Hilton war schon mal da und Menowin auch – aber meines Wissens nur unten in der großen Halle zur Autogrammstunde. Wobei Menowin würde an meinem Spieltisch nicht besonders auffallen. Mein Nachbar geht all in und verliert. „Spielen Sie weiter“ fragt der Dealer, weil er es fragen muss. Die Antwort ein serbischer Redeschwall bestimmt durch die Wörter „Mutter“ und „Mund“. Den Rest werde ich nicht übersetzen. – Der Mann im roten Trainingsanzug beginnt zu husten, wie man nur husten kann, wenn man vierzig Jahre lang konsequent albanische Marlboro geraucht hat. Mein Nachbar hat sich beruhigt und wechselt ein weiteren Schein. Der Hustende beruhigt sich nicht, steht auf und schlurft nach hinten zu den Spielautomaten. Ein kleiner Mops trottet solidarisch hinterher. Irgendwo aus dem Nirgendwo ruft ein Stimme „Rifgi“. Der Hund bleibt stehen und scheint zu überlegen. Hustenden Mann mit klirrenden Goldketten verfolgen, oder braver Hund sein und retour ins Büro? Der Hund folgt. Der Dealer fragt: „Warten oder Button kaufen?“. Mein Nachbar sagt: „Geh bitte scheißen“ und lächelt freundlich. Alles ist wieder gut.

Am Abend komme ich wieder. Drei volle Tische. Ich entscheide mich für Omaha. Das Publikum ist jünger und es wird deutsch gesprochen.Zumindest zwischendurch. Die schönsten Frauen der Welt kommen immer noch aus Dubrovnik, Pristina, Tuzla, Belgrad und Podgorica. Wer das nicht weiß, weiß gar nichts. Sie sitzt mir gegenüber ist zwanzig Jahre zu jung, oder ich dreißig Jahre zu alt. Beides tragisch irgendwie. Ihre Haut ist zart braun, die Haare blondiert und das Dekolletee atemberaubend. Ich beschließe einfach nicht hinzusehen und scheitere in jeder Sekunde. Ihren Freund hasse ich unbekannterweise. Wahrscheinlich ein Käfigkämpfer oder so, aber früher wäre mir das egal gewesen. Ich drücke meine blickdichte Teetasse vor meine Nase und sehe somit alle Spieler nur vom Hals aufwärts. Gleichzeitig versuche ich ihr kein Geld wegzunehmen, auch nicht leicht, weil ich praktisch jeden Pott gewinne, den ich spiele.

Irgendwo hinten bei den Spielautomaten wird gehustet. Ich drehe mich nicht um. Ich weiß Bescheid. Der Casinohund „Rifgi“ ist nicht da. „Orkan kommt morgen wieder“ sagt die Kellnerin. Wahrscheinlich Rifgis Chef, oder überhaupt der Chef hier. Keine Ahnung. Meine Hübsche von gegenüber ist all in. Mich trifft keine Schuld, aber retten konnte ich sie auch nicht. Da ist dann auch ihr Freund. Er schaut nett aus und trägt genau dieselbe Frisur wie George Danzer 2005. Ich hasse ihn trotzdem und gehe hinaus in die laue Sommernacht. Der aufgeregte Junge vom Nachmittag steht am Hinterausgang und telefoniert: „Platicu – sigurno – sigurno u ponedjeljak – platicu – koliko? – Platicu – sigurno – u ponedjeljak – da u ponedjeljak – 100 posto – platicu.“ Irgendwas wird er am Montag ganz sicher bezahlen. So hat halt jeder seine Probleme. Ich steige zu einem guten Freund in seinen schicken Wagen und rausche davon. In meiner Brusttasche knistern ein paar Scheine mehr. Es war ein guter Tag.

Zusammenfassend: City Poker, Lugner City, Gablenzgasse 5-13, OG Top 40. Auf jeden Fall einen Umweg wert und Pflichttermin für jeden deutschen Pokertouristen. Der persönliche „Tarantino-Moment“ ist quasi garantiert. In möglichen unsicheren oder verwirrenden Situationen kann man sich gerne auf mich berufen, das hilft allerdings in den seltensten Fällen. Besser wäre es sich mit „Rifgi“ dem Casinohund anzufreunden. Da ist man garantiert auf der sicheren Seite.

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