Full Tilt, Bagdad Bob und die 32 Daumen nach oben – 5114 Zeichen Hass

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Eigentlich wollte ich so eine nette Geschichte über Pius Heinz und Udo Lindenberg schreiben. Ergänzt durch einen kleinen wehmütigen Sidestep zur wunderbaren Natalie Hof, zwei eitle Witze über mich selbst und fertig. Das ganz schön geschüttelt und gerührt. Eine putzige dreiteilige Überschrift und schon sitze ich wieder im Kaffeehaus und muss drei Tage nichts arbeiten. Pustekuchen! Meine Nerven sind im Moment ohnedies ein wenig angeschlagen und Pläne zu ändern liegt mir gar nicht. Abgesehen davon ist es viel anstrengender sich aufzuregen, als ein wenig zu scherzen und zu schwärmen. Aber was sein muss, muss sein. In RTL moderiert gerade diese strenge Expilotin vom Dschungelcamp ein weitere Ranking-Show: „Die zehn ergreifendsten Schicksale“. Großartige Themenwahl und ich bin nicht dabei. Immerhin. Angeblich die letzte Show (wenn ich ausnahmsweise einmal etwas richtig verstanden habe.) – Falls es an Themen mangeln sollte, hätte ich noch einen Vorschlag. „Die zehn dümmsten und unnötigsten Online-Pokerseiten“. Von vorne nach hinten gereiht, oder damit es spannend bleibt, den klassischen RTL-Countdown von hinten nach vorne (Werbepause vor Platz 1 dann nicht vergessen!). Spielt alles keine Rolle, das wird eine Premiere. Auf Platz 10 bis 1 wird ein Name stehen.

Die Älteren werden sich an „Bagdad Bob“ erinnern. Den irakischen Informationsminister des dritten Golfkrieges (Frühjahr 2003). Legendär seine Pressekonferenz auf offener Straße. Im Hintergrund hörte man bereits das Brummen der amerikanischen Panzer und „Bagdad Bob“ aka Muhammad as-Sahhaf sprach vom nahen Triumph der irakischen Armee und fantasierte von US-Soldaten, die angesichts der Übermacht massenweise Selbstmord begehen würde. – Immerhin ein Statement mit dem man arbeiten kann irgendwie. „Bagdad Bob“ lebt jetzt laut Wikipedia in den Vereinigten Arabischen Emiraten und hätte höchstwahrscheinlich auch Zeit. Für die Presseabteilung von Full Tilt wäre Bob jedenfalls eine personelle Verstärkung.

Niemand hat das gewollt mit dem „Black Friday“ und wahrscheinlich hat das auch niemand wirklich kommen gesehen. Aber es ist nun Mal passiert und da heißt es dann zu reagieren. Full Tilt hat immer gewusst wie man die Pokeröffentlichkeit erreichen will. Beste Kontakte zu den Medien, großzügige Inseratkampagnen und kiloweise Spots und Banner in Funk und Netz. Nur damals ging es um Neukundengewinnung. Jetzt gibt es keine Kunden mehr, jetzt gibt es nur noch ehemalige Full Tilt Spieler, die auf ihr Geld warten und Geld wurde wahrlich genug verdient im deutschsprachigen Raum. Eine Firma mit Klasse, Charakter und Köpfchen würde da in die mediale Offensive gehen, statt sich hinter dünnen Dementis zu verstecken. Wer jetzt auf die Homepage von Full Tilt geht erfährt etwas von „System Update“ und wird aufgefordert „Bitte besuche diese Seite später noch einmal.“. – Vielleicht ist „Bagdad Bob“ schon längst im Full Tilt Kompetenz-Team dabei und niemand hat es mir erzählt.

Ärgern muss ich mich auch über einen speziellen Kommentar auf Hochgepokert.com. Beziehungsweise über die aktuell 32 nach oben gerichteten Daumen, die dieser Argumentation zu folgen scheinen. Hochgepokert.com User „JCT“ beginnt folgendermaßen: „auf ein wort… ich poste hier eigentlich nie meine kommentare, weil ich das als absolut sinnlos betrachte.“ – Wäre „JCT“ bloß seinen Ansichten über die Sinnhaftigkeit seiner Kommentare treu geblieben. Grundsätzlich geht es ja in dem Artikel um die Seite Fulltiltscrewed.me. Zu solchen Aktionen kann man stehen wie man will, mein Verständnis hat jeder, der was unternimmt, statt in biblischer Geduld auf irgendwas und irgendwen zu warten. Jedenfalls lässt sich „JCT“ zu folgendem Sätzchen hinreißen: „die leute, die sich auf diese „liste gesetzt“ haben sind irgendwelche möchtegern spieler, die sich ein paar mal die micros reingezogen haben und jetzt denken sie müssten ihre 200$ einforden.“

,OK Mr. JCT – ich bin definitiv kein „Möchtegern Spieler“ und gerade weil ich ein „richtiger“ Spieler bin interessiert mich massiv, dass es überall und in jeder Nuance sauber zu geht. Auch bei 2c/4c soll bitte die beste Hand den Pot gewinnen und selbstverständlich hat Full Tilt die verdammte Pflicht auch die Jungs auszuzahlen, die sich die „Micros reingezogen“ haben und jetzt auf ihre 200$ warten. – Das so ein arrogante Geschreibsel seine 32 Daumen nach oben bekommt, lässt mich leise schaudern. Dafür freuen mich die 12 Daumen nach unten noch viel mehr. – Aber mal abgesehen vom moralischen Aspekt. Poker war immer schon das Spiel, wo die Gesetze der Schwerkraft konsequent auf den bildlichen Kopf gestellt wurden. Geld floss und fließt seit Dodge City von unten nach oben. Wer die kleinen Limits nicht ernst nimmt ist dämlich und wer sich um gar nichts kümmert – außer darum den eigenen Reichtum zu retten – ist unmoralisch und dämlich, weil (hoffentlich) kurzsichtig. Desto mehr ich darüber nachdenke – irgendwie war mir dieser durchgeknallte Iraker sympathisch. Hoffe er findet einen anderen Job.

Götz Schrage

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