Mein zweijähriges Dienstjubiläum – 200 Kolumnen, 2000 böse Kommentare – Prosit 2013

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Zwei Jahre Hochgepokert.com. Zweihundert Kolumnen und sicher mehr als Zweitausend böse Kommentare. Zeit für eine kleine Zwischenbilanz und höchste Zeit für ein dickes Dankeschön an all die Leser, die mir solange die Treue gehalten haben. Bis zu jenem glorreichen 1.1.2011 war ich  insgesamt vier Jahre lang Chefredakteur bei PokerOlymp und Pokerfirma.com. Wobei Chefredakteur liest sich gut auf der Visitenkarte, ist aber ein wirklich harter Job ohne großen Anspruch an Freizeit und Lebensqualität. Für Hochgepokert.com hatte mich Benjamin Kang lediglich als Kolumnist engagiert. Vielleicht war ich sogar einen Monat deswegen ein klein wenig gekränkt. In der Selbstwahrnehmung  sah ich mich immer schon als natural born chief editor. Heute schreibe ich reinen Herzens, beides probiert, kein Vergleich. Kolumnist zu sein, ist mein wahrer Traumjob. Niemand mischt sich in meine Texte ein und dieses Privileg strapaziere ich mit Wonne und Arglist. Manchmal stoße ich vielleicht sogar den ein oder anderen unserer Kunden vor den Kopf. Als Chefredakteur ging so etwas gar nicht. Jetzt sagen die Bosse dann wohl: „Ach der Schrage, das ist doch nur unser Kolumnist. Der ist einfach ein wenig sonderbar“ und alles ist wieder gut und gebügelt.

Keine erfolgreiche Kolumne ohne treue Leser. Bedankt habe ich mich bereits in der Einleitung, deswegen widme ich mich wieder meiner zweitliebsten Passion, der gepflegten Leserbeschimpfung. Dass sich Zeiten ändern, daran muss man sich mit der Zeit gewöhnen. Alles dreht sich, alles bewegt sich und wir sind mitten drinnen statt nur dabei. Früher gab es den Leserbrief, heute gibt es die Kommentarfunktion. Anonymität war immer schon Trumpf und Kritik war einst auch schon böse und grob. Eines allerdings hat sich in den letzten Jahrzehnten krass gewandelt. Texte und Inhalte sind für den Leser rasch, kostenlos und weltweit verfügbar. Mit Wehmut erinnere ich mich an die alten romantischen 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts, wo man im Urlaub am Dienstag am Kiosk anstehen musste, um eine Zeitung von Sonntag zu kaufen, in der man die Bundesliga Ergebnisse von Samstag lesen konnte. Etwa Jupp Heynckes schießt auswärts vier Tore gegen Rot-Weiss Essen und niemand am ganzen Strand wusste es vor mir. Das hatte schon eine gewisse Spannung und eine gewisse Romantik. Jede Zeile wurde mitunter mehrfach gelesen, immerhin hatte man den Gegenwert eines mittelgroßen Eisbechers in die Neugier investiert. Wer Geld für etwas bezahlt und Mühen auf sich nimmt schätzt das Geschriebene gleich viel mehr. Im Gegensatz dazu, haben wir es heute viel schwerer entsprechende Wertschätzung abzustauben. Umsonst und leicht verfügbar stehen wir da mit unseren Texten im Netz und statt Dank und Lob, hagelt es meist Häme und Respektlosigkeiten. 

Moment! Stopp, aus, retour! Es wird gefeiert und nicht gejammert und streng unter uns, früher war nicht alles besser. Meist war es nur anders und das anders, war bei Gott nicht immer gut. Früher in der alten Zeit der gedruckten Magazine musste man mit stinkenden Straßenbahnen in muffelnde Redaktionen fahren, um den schlechtesten Kaffee der Welt zu trinken und auf Toiletten gehen, auf die auch andere Menschen gehen. Außerdem fiel man auf, wenn man mit Kollegen nicht sprechen wollte und wer beim gemeinschaftlichen Mittagessen nicht dabei sein wollte, über den wurde schlecht geredet (was mir schon damals egal war, aber nicht so egal, wie es mir jetzt ist). Abgesehen davon bei keiner, bei wirklich keiner redaktionellen Weihnachtsfeier der angeblich goldenen 80er-Jahre hat sich eine der höchst attraktiven Sekretärinnen (mit oder ohne) Höschen auf den Fotokopierer gesetzt, obwohl wir extra dafür einen höchst stabilen Farbkopierer hatten. Heute schreibe ich meine Text im Kaffeehaus, oder mitunter auch in höchst anrüchigen Lokalen, flirte mit der immer noch hübschen Kellnerin und erzähle ihr, ich sei Auslandskorrespondent für CNN Sports, weil das einfach gut kommt. Theoretisch könnte ich im Sommer auch im Freibad sitzen unter dem Sonnenschirm, Limonade schlürfen und den dicken Bademeistern bei ihren immer gleichen Frauengeschichten zuhören, oder im Casino sitzen und quasi live vom Spieltisch meine Kolumne ins System stellen. Zusammenfassend, ich habe die große Freiheit und ich genieße sie auch entsprechend. Die paar undankbaren und bösen Kommentar der Sorte: „Ich-will-alles-umsonst-und-dafür-will-ich-jeden-auch-noch-aus-der-Anonymität-beschimpfen-dürfen“ halte ich auch noch aus.

Vielleicht hat ja Benjamin Kang eine Wette laufen. So ähnlich wie in diesem Film mit Dan Aykroyd und Eddie Murphy. Im Original heißt die Komödie „Trading Places“ und die Übersetzung ist mir gerade entfallen. Wahrscheinlich geht es um einen Dollar und wahrscheinlich ist der Wettpartner auch irgendein wohlhabender Sack aus dem Business. „Ich hole mir diesen Götz Schrage als Kolumnist und werde trotzdem die Nummer Eins und das, obwohl er in jeder dritten Kolumne meine wichtigsten Kunden beleidigen wird, weil er einfach nicht anders kann.“  – Jedenfalls Benjamin Kang hat die Wette, sollte er sie denn gemacht haben, haushoch gewonnen. Hochgepokert.com ist die Nummer Eins unter den deutschsprachigen Pokernews-Seiten und ich bin verdammt stolz in diesem Team zu sein. Trotzdem in dieser feierlichen Stunde will ich mir etwas für uns alle wünschen dürfen. Und wenn ich schreibe für alle, dann meine ich eben auch die Kollegen von Pokerfirma, PokerOlymp, Intellipoker, Pokerzeit, Pokernews, Pokeraction, PokerPanorama und Poker-Magazin.  – Wir alle arbeiten hart und gerne dafür, dass die lieben Leser draußen an den Internet-Empfängern täglich frisches, spannendes und amüsantes aus dem Bereich Poker lesen dürfen. Zur Feier meines Dienstjubiläums wünsche ich mir für uns alle ein klein wenig mehr Respekt. – Danke und auf die nächsten zweihundert Kolumnen. Selbstverständlich exklusiv bei Hochgepokert.com.

Götz Schrage 

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