Pro-Tipp Julian Herold – Umstellung von Online zu Livepoker!

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Autor Julian Herold bei der EPT Wien

Auf was kommt es beim Live Poker an?

Autor Julian Herold bei der EPT Wien
Autor Julian Herold bei der EPT Wien

Es kann einige Zeit dauern, bis man die Umstellung von Online zu Live Poker gemeistert hat. Diese Erfahrung musste ich selbst machen, als ich 2008 angefangen habe, an den ersten Liveturnieren teilzunehmen. Ich spiele bereits seit 2003 sehr viel Onlinepoker und versuchte, meine bewährte Taktik aus dem Internet auch auf das Live Poker zu übertragen. Das größte Problem dabei war, dass man online meist viele Tische gleichzeitig spielt und hier und da mal einen guten Spot nimmt. Live sitzt man an einem Tisch und es gibt eigentlich fast in jeder zweiten Hand einen guten Spot…

In den ersten zwölf Monaten war das von wenig Erfolg gekrönt, denn ich versuchte, konsequent jeden Spot auszunutzen und die schlechteren Spieler permanent unter Druck zu setzen. Dass dabei die Handauswahl etwas leiden musste, ist der Aggressivität geschuldet und man kann mit dieser Taktik noch so gut sein, wird allerdings eher selten erfolgreich sein. Es gilt vor allem, die richtige Balance zu finden und sich auf die Gegner einzustellen, das heißt, man muss genau wissen, wie weit man bei welchem Gegner gehen kann oder ob ein Fold doch die bessere Option ist.

Ich habe daraus meine Konsequenzen und Lehren gezogen und folgerichtig mein Spiel umgestellt. Vor allem zu Beginn der Turniere bevorzuge ich mittlerweile eine tight-aggressive Spielweise, um auf der Bubble die vielen passiven Spieler als Maniac in den Wahnsinn zu treiben. Die Kontrahenten sind gerade auf der Bubble um einiges vorsichtiger, dies gilt es auszunutzen und führt mit genügend Druck auch fast immer zum Erfolg.

Sobald die bezahlten Plätze erreicht sind, geht es dann solide und mit der richtigen Dosis an Aggressivität weiter. Nach und nach stellten sich erste Erfolge ein und es galt, den eigenen Spielstil zu verfeinern und zu perfektionieren. Ich arbeitete kontinuierlich an meinem Spiel und analysierte alle wichtigen Hände in den entscheidenden Momenten. Dies hatte einen sehr positiven Effekt und die Folge waren konstantere und bessere Resultate.

Doch was genau ist beim Live Poker gefragt? Einer der wichtigsten Aspekte ist sicherlich die Aggressivität an den Tischen und sehr oft den Pot zu eröffnen, um sich die Blinds zu sichern. Zudem sollte man versuchen, viele Hände gegen schwächere und zurückhaltende Spieler zu spielen, dadurch hat man sehr schnell ein aggressives Image und bekommt mit den guten Starthänden mehr Action.

Was viele der Kontrahenten jedoch nicht oder nur sehr selten bemerken: Postflop wird recht solide gespielt und die Spots sind sehr sorgfältig gewählt, nur gegen schlechte Gegner („Donks“) wird mehr riskiert und die Bandbreite der spielbaren Hände ist etwas größer als sonst. Generell kann man die Stärke bei einem durchschnittlichen Liveturnier aber mit einem $5 Onlineturnier vergleichen, wenn überhaupt.

Hiermit ist sicherlich nicht eine EPT gemeint, diese sind generell schon recht solide besetzt (abgesehen von Tourstopps wie Barcelona und San Remo). Ich überlege mir ganz genau, welche Liveturniere ich spiele. Außerdem sollte man schon Turniere mit gutem Value heraussuchen, denn live spielen ist sehr zeitaufwändig und Zeit ist Geld…

Julian Herold (GER)
Julian Herold (GER)

Bei den großen Liveturnieren startet man an Tag 1 sehr deep und bei einer guten Struktur ist das auch bis zum Schluss der Fall, die meisten Onlineturnierspieler sind dies jedoch überhaupt nicht gewöhnt. Sie haben enorme Probleme, ihre Spielweise entsprechend anzupassen, da die meisten Onlineturniere nach sehr wenigen Stunden bereits im Push-or-FoldModus sind und man auch zu Beginn eher selten mit 100 Big Blinds spielt.

Somit spricht vieles dafür, diese Umstände auszunutzen und eins ist sicher: Als „online Maniac“ wird man mit sehr viel Action belohnt und kann den eigenen Stack relativ sicher und schnell ausbauen. Vorsicht sollte man aber bei Widerstand der älteren Generation und von Online-Qualifikanten walten lassen, denn diese Kontrahenten spielen sehr berechenbar und geradlinig. Insbesondere ältere Gegenspieler haben bei einer 3bet fast immer eine sehr starke Hand und dem sollte man Respekt entgegenbringen, auch wenn man vielleicht vom selben Spieler mehrmals gereraised wird.

Die Online-Qualifikanten lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: Zum einen in die Spieler, die gerade ihr erstes großes Liveturnier spielen und sehr tight agieren und zum anderen in den aggressiven Typ, der sich gerne viele Flops anschaut und Postflop dann eher passiv weiterspielt. Generell ist die Action in Liveturnieren nicht mit der von Onlineturnieren zu vergleichen.

Wie verhält es sich eigentlich bei den regulären Spielern, die bei fast allen Turnieren anzutreffen sind? Auch hier sollte man nicht, wie online, sehr aggressiv zu Werke gehen, denn Konfrontationen mit starken Spielern gilt es in der frühen Phase des Turnieres zu vermeiden. Es bringt nichts, mit einem suited Ace für 80 Big Blinds 6-bet All-in zu gehen, nur um dem Gegenüber zu zeigen, dass man sich nicht rumschubsen lässt. Generell vermeide ich in den meisten Liveturnieren solche Harakiri-Aktionen, wenn ich noch genügend Chips habe. Man kann seinen Stack viel einfacher aufbauen, als mit solchen Aktionen, denn von den zuvor erwähnten Onlinespielern und Kontrahenten der älteren Generation kann man sich in vielen kleinen Auseinandersetzungen ausreichend Chips holen.

Jeder Chip in Liveturnieren ist Gold wert und man sollte diese lieber verwalten als zu aggressiv zu Werke zu gehen! Man weiß nie wann der nächste Fish vorhat, einem seinen ganzen Stack zu schenken!

 

Bankroll Management Liveturniere

Julian Herold
Julian Herold

Doch nicht nur das Anpassen der eigenen Spielweise spielt eine wichtige Rolle beim Umstieg von Online auf Live Poker. Auch das Bankroll Management (BRM) ist enorm wichtig und man braucht nicht zwingend 100 Buy-Ins, um bei der EPT anzutreten. Im Gegenteil, dies ist fast nie der Fall und nur die wenigsten Spieler verfügen über eine Bankroll von mehr als €500.000.

Beim Online Poker ist diese strikte Vorgehensweise erforderlich und eine wünschenswerte Sicherheitsmaßnahme, doch die großen Liveturniere stellen für viele, die diesen Artikel lesen, eher einmalige Gelegenheiten dar, die eigene Bankroll beträchtlich auszubauen. Man könnte es mit einem Angriff auf höhere Limits beim Online Poker vergleichen, wenn man den Kontrahenten sehr genau kennt und die Schwächen des Gegners einzuschätzen weiß oder man leistet sich etwas Gutes, dass man sich zuvor durch die Onlineerfolge verdient und hart erarbeitet hat.

Des Weiteren darf man auf keinen Fall die Unkosten bei einem Live Event vergessen, da meistens enorm hohe Reise-, Hotel- und Verpflegungskosten anfallen. Je nach Lage und Austragungsort entstehen selbst bei einem Mittelklasse Hotel Kosten von €100-150 pro Nacht und für die Anreise per Flugzeug darf man noch mal mit €300-500 rechnen. Für eine komplette Turnierwoche kommt man dabei sehr schnell auf €1000-1500 Spesen EXTRA zusätzlich zur Turniergebühr.

Im Verhältnis zum Buy-In des Turnieres macht dies also einen recht hohen Prozentsatz aus und wenn man z.B. beim Main Event einer EPT mit einem Buy-In von €5.300€ relativ früh ausscheidet und sich entschließt, noch ein bis zwei Side Events zu spielen, so entstehen schnell weitere Kosten. Statt der ursprünglich eingeplanten €5.000 landet man ganz schnell beim Doppelten und das hat dann schon deutlichere Auswirkungen auf die eigene Bankroll.

Falls ihr euch dazu entschließt, an einem der großen Turniere komplett auf eigene Kosten teilzunehmen, dann solltet ihr unbedingt alle möglichen Ausgaben im Auge behalten. Denn früher oder später macht sich das vor allem im Geldbeutel bemerkbar und eine gute Planung und Vorbereitung ist daher essentiell wichtig.

Autor: Julian Herold

Bild Quelle: fabfotos, Hochgepokert, World Poker Tour

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