Schräge Gedanken – Der durchgeknallte Idiot – Meine grauen Haare – Religiöse Fragen am Pokertisch!

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Schräge Gedanken – Der durchgeknallte Idiot – Meine grauen Haare – Religiöse Fragen am Pokertisch!

„If you want to make peace, you don’t talk to your friends. You talk to your enemies.“ (Moshe Dayan)

schrageSelbstverständlich würde ich mir niemals die Haare färben. Es hat schon einen Grund, dass ich am Christopher Street Day Zeit hatte Fußball zu gucken. Aber über eine „natürliche Grauhaarabdeckung“ darf doch zumindest einmal nachgedacht werden („natürliches Mittelbraun“ von Men Expert zu €7.99). Es muss einfach etwas geschehen. Die jungen Menschen verlieren den Respekt. Das schmerzt und ich werde mich nur schwer daran gewöhnen können. Kürzlich hatte ich bei einer semiprivaten Partie so einen jungen Respektlosen an der Backe. Immer am schwätzen und immer in der dritten Person, was ich absolut nicht abkann. „Kannst immer wegschmeißen, wenn der zahlt. Keinen Cent bekommt der von mir. Da klopfe ich mir lieber einen rostigen Nagel ins Knie, bevor ich dem auch nur einen Euro geb.“ Sinnerfassendes Zuhören gehört nicht zu meinen Schwächen. Nur wieso gerade ich in den Fokus des Table-Mobbings kam, konnte ich mir nicht erklären. Gehöre durchaus zu den lustigen Spielern und sollte ich jemals ein Omaha-Lehrbuch schreiben, dann wäre der Titel „Die vierte Karte ist egal.“ So gesehen bin ich sicher kein Rock und immer noch hundert Kilo schwer. Zugegeben, nicht ganz optimal auf zwei Meter verteilt, aber immerhin. Hundert Kilo sind hundert Kilo. Leider scheinen aber graue Haare den Eindruck von Wehrhaftigkeit entscheidend zu mindern.

Apropos graue Haare. Ich kannte mal einen ehemaligen Zuhälter aus Yorkshire. Da oben im Norden gibt es nicht nur vierbeinige Terrier, da kommen auch die ganz harten Jungs her, wie z.B. Dave „Devilfish“ Ulliot. Wobei sich Devilfish die Haare färbt. Da riskier ich wohl keine Klage oder Schlimmeres. Mein Kollege mit dem bösen Beruf war grauhaarig und (inzwischen) brav und handzahm. Im richtigen Moment die richtige Frau gefunden und um das Glück noch abzurunden, ein Kind mit afrikanischen Wurzeln adoptiert. Eine glückliche und friedliche Familie. Ein wenig außerhalb von Wien waren wir in einem Lokal. Die Art von Lokal, wo man auch mit seiner Mutter hingehen könnte. Der Gastraum war leer, im Garten war es etwas windig und so setzten wir uns hin und unterhielten uns entspannt und friedlich über allerlei wirklich Unwichtiges. Drei junge Männer kamen dazu. Laut, bemüht witzig und so von der Statur Marke „Bierzeltraufer“. Drei große Bier um 11 Uhr vormittags. Jeder wie er mag. Der Lauteste der Jungs blickte einen Moment zu unserem Tisch, hielt die Kellnerin am Handgelenk, zeigte mit dem Finger auf uns und komplettierte seine Bestellung mit einem: „Und für den Kleinen bringst bitte eine Banane.“ Und dann lachten alle drei aus vollem Hals ihr lautes, dummes Landmenschenlachen. Ich erstarrte. Ich dachte wirklich für einen Moment, ich werde jetzt Zeuge bei einem Dreifachmord und muss womöglich über Nacht auf der Polizei bleiben. Mir dämmerte, dass ich so eine Szene schon einmal in „Shaft“ gesehen hatte. Auch eine bestellte Banane, und auch das ging dann nicht wirklich gut aus für den Spaghetti, wenn ich mich richtig erinnere. Wobei die Jungs zu unkultiviert waren. Die hatten „Shaft“ nicht gesehen, denen war wahrscheinlich „Stirb langsam“ schon zu kompliziert. Handlungstechnisch und so.

HGP Goetz SchrageEs ist nichts passiert. Absolut nichts. Mein Freund hatte wohl nichts gesehen und wohl auch nichts verstanden. Vier Jahre Mannheim hatten nicht gereicht, um genug Deutsch zu lernen. Obwohl, wenn man irgendwo in Deutschland in vier Jahren kein Deutsch lernt, dann wohl in Mannheim. Jedenfalls saßen meine Freundin und ich blass und erschrocken da, weil wir wussten was hätte passieren können. Ich versuchte den drei Jungs vielsagende Blicke zuzuwerfen. So aus der Abteilung: Ihr Missgeburten von Landeiern wisst wohl gar nicht, was ihr gerade für ein Glück hattet. Wobei vielsagende Blicke im ländlichen Raum nicht zu meinen stärksten Skills gehören. Das musste ich auch wieder bei meiner semiprivaten Partie merken. Scheinbar interpretierte der junge Frechling mein Schweigen als Schwäche und zog weiter über mich und meinen Spielstil her. Selbstverständlich konsequent in dritter Person. Hatte ich schon erwähnt, dass ich das absolut nicht leiden kann? „Der ist so wertlos mit seinem Spiel. Immer nur die Asse. Sonst kann der nix und die Asse spielt er auch wie ein Mädchen.“ Obwohl er es pokerhistorisch wirklich nicht verdient hat, muss ich den jungen Respektlosen ein wenig beschreiben. Größenmäßig gerade mal Lionel Messi plus fünf Zentimeter. Vielleicht 65 Kilo inklusive Hugo Boss Gürtelschnalle. Die Haare schon ein wenig dünn, dafür aber nach oben gebürstet. Ähnlich panischen Hamstern, die ihre Nackenhaare aufstellen, damit sie nicht wie panische Hamster aussehen und dabei scheitern. Bei unserer ersten Konfrontation zog ich zu allem Überfluss natürlich auch noch den Kürzeren. Und als ob das nicht schon teuer und schlimm genug gewesen wäre, hatte ich tatsächlich die Asse und gespielt hatte ich sie objektiv betrachtet – richtig geraten – wie ein Mädchen. Was dann kam, war selbst mir in meiner Altersmilde zu viel. Die Dealerin bekam wirklich fettes Trinkgeld. Vielleicht acht Euro, angesichts des Pots durchaus bemerkenswert hoch. Aber anstatt ihr das nobel und dezent rüber zu schieben, warf er einen Chip nach dem anderen mit maximalem Getöse in ihr Chiptray. Achtmal so laut wie möglich, ohne sie dabei anzusehen. Das ging auch nicht, weil er mich währenddessen die ganze Zeit anstarrte und auf beleidigende Art wirres Zeug murmelte.

HGP Poker Illegal Goetz SchrageIch bin dann aufgestanden ohne die Nackenhaare zu sträuben. Bin ja kein Hamster oder so und habe mich direkt neben ihn gesetzt. Ich dachte meine Masse würde ihn schon genug beeindrucken und außerdem weiß ich aus Erfahrung, immer so nah ran an den Aggressor wie möglich. Mehr Distanz bedeutet fast immer mehr Probleme. Anfänglich hat das auch gewirkt, bis ich dann die eine Hand gewann. Ausgerechnet gegen ihn und gleich der böseste aller Suckouts. Ich dachte am Flop, ich hätte den maximalen Wrap, aber das war wohl eher ein maximaler Misread. Am Turn hatte ich dann immerhin einen passablen Draw, nachdem ich am Flop mit „Nine high“ und ohne direkte Optionen eine Potsizebet bezahlt hatte und am River dann Nuts, so wie es sich gehört. Der Frechling war seine Chips los und seine Fassung sowieso. Er warf sein Top Set samt Nut Flush Draw quer über den Filz und startete eine Schimpftirade, die ich aus Gründen des Jugendschutzes hier nicht annähernd wiedergeben möchte. Nennen wir es ausführliche Erörterungen zur gleichgeschlechtlichen, maskulinen Interaktion in allen denkbaren Variationen. Im Mittelpunkt der Beleidigungen stand selbstverständlich ich, aber auch mein Kollege, mit dem ich zeitgleich gekommen war. Schon alleine, um den homoerotischen Aggressionsphantasien mehr an beleidigender Dynamik zu verleihen. Ich habe ihm dann in die Augen gesehen und gemerkt, der Junge war angstfrei und auch keiner am Tisch schien bereit, ihn in die Schranken zu weisen. Da musste ich an Andy Blake denken, der ja angeblich Buddhist, aber trotzdem einschlägig vorbestraft sein soll, wegen diverser Pub-Schlägereien. Britischer Buddhismus halt und somit wenig vorbildlich für was auch immer. Im Casino auf jeden Fall ziemlich unbrauchbar. Ich halte mich da mehr an meine jüdischen Freunde beziehungsweise ganz konkret an meinen russischen Freund Ruben. „Wenn kommt ein Brief mit was Bösem, habe ich keine Postfach dafür. Brief bleibt draußen und draußen tut mir nicht weh.“ Ich glaube, dass mit dem Brief und dem Postfach hat er allegorisch gemeint, oder zumindest metaphorisch. So sind die russischen Juden halt. Man will einen Ratschlag und bekommt Grimms Märchen mit komischer Satzstellung. Ich versuchte den homophoben Jungen zu ignorieren und mich auf Sätze wie: „Ich habe kein Postfach“ zu konzentrieren, um des Friedens willen und so. Wenn die Beleidigungen mangels Postfach nicht zugestellt werden, kann man auch gekränkt sein und warum was riskieren, wenn ja gar nichts passiert ist, weil ich keinen Brief bekommen habe oder so.

Ich hielt es dann aber doch für besser zu gehen. Mit dem Geld. Meine familiären Wurzeln sind zwar alles andere als ethnisch klar strukturiert, aber zum Verinnerlichen von nicht ankommenden Beleidigungen fehlt mir doch einiges an Mischpoche.

Zocken aufs Land fahre ich erst wieder, wenn mein britischer Freund da ist. Quasi ein Ausflug der grauen Panter. Wenn dann der junge Frechling wieder da ist, werde ich das meinem Kollegen fließend übersetzen. Mehr fließend als wörtlich wohlgemerkt und vielleicht werde ich dabei auch ein wenig schummeln. Ärger wem Ärger gebührt. Wenn es dann losgeht, warte ich draußen. Sicher ist sicher.

Autor: Götz Schrage

Bild Quelle: Götz Schrage

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