Der verschollene Kollege – Die verlorenen Millionen – Superbowl und gute Tipps fürs Leben

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hgp0214eDa erspielt einer 34 Millionen Dollar, verdient in seiner Karriere weiter 10 Millionen Dollar an Werbegeldern jetzt ist er pleite. Komplett kaputt, broke, finished und fertig. Das kommt einem doch bekannt vor. Diese Storys hat man schon öfters gehört und sie enden dann ebenso tragisch. man schüttelt den Kopf und hat Gedanken wie: hätte ich nur 5% von dem Geld gehabt, ich müsste in diesem Leben sicher nicht mehr arbeiten. Der Junge, der es geschafft hat die $44.000.000 durchzubringen heißt Vince Young und hat nicht mal den mickrigsten Hendon Mob-Eintrag. Dafür findet man für ihn etliche Einträge in den NFL-Statistiken. Als kleine Referenz an die eben zu Ende gegangene Superbowl-Nacht habe ich mir diesen kleinen Ausflug auf die Battlefields der NFL erlaubt. Ehre, wem Ehre gebührt und schließlich sind die Seattle Seahawks ein würdiger Champion, weil sich allen Pass-Rekorden von Manning zum Trotz die alte Weisheit wieder einmal bestätigt hat: „Offense wins games, defense wins championships.“ Und so eine dominante Verteidigung wie die der Seahawks hat es seit den Chicago Bears Mitte der 80er nicht mehr gegeben.

15141635614Doch damit beende ich meinen kleinen Ausflug in die Welt des Sportes und überlasse die Analysen meinen kompetenten Kollegen von der Hochgepokert.com Sportredaktion. Wobei die Parallelen sind signifikant gegeben. Der Hang zu leichten Mädchen, falschen Freunden, einem mehr als schnellen Lebensstil und verbotenen Substanzen in allen Variationen. Das ist schon eine Menge an Überschneidungen. Eigentlich bleiben nur die fehlenden Muckis um Verwechslungen zu vermeiden. Außerdem ehelichen Pokerspieler deutlich seltener Stripperinnen. Besonders seitdem es um den einst so lauten Mike Matusow so bedrückend still geworden ist. Finanztechnisch allerdings würde man dem Craps-Profi und Pokerspieler Phil Ivey so eine Achterbahn allemal zutrauen. Dafür gibt es bei der NFL keine 80jährigen im Bewerb. Zumindest ist mir da nichts bekannt, wenn man auch nicht wirklich unter jeden einzelnen Helm schauen kann, aber bei der nächsten WSOP ist Doyle Brunson fix am Start. Immerhin ein Punkt für die Pokerspieler. Sie können das, was sie tun viel länger tun. Eine gute Nachricht, wenn man sich zu den Gewinnern zählen darf. Eine schlechte Nachricht, wenn es darum geht das Familienerbe bei hunderten Events zu filetieren. Übrigens ein krasser Unterschied fällt mir noch auf. Bei der NFL gibt es dutzende spannende Statistiken. Quasi alles ist erfasst. Für alles gibt es Saison, Vereins- und ewige Bestenlisten und die Statistiken scheinen auch noch zu stimmen, sonst hätte es schon einen Riesenskandal gegeben und Millionen an Schadenersatzzahlungen. In der Pokerwelt gelingt es nicht mal die simpelste Lifetime-Winnings Bilanz zu erfassen. So kann einer regelmäßiger Turnierspieler bei Hendon Mob eine Million Dollar an Preisgeldern gewonnen haben und muss sich dann trotzdem das Geld für ein kleines Bier bei mir ausleihen.

Aber ich merke gerade, ich verplaudere mich mal wieder. So sehr stehe ich unter dem Eindruck der Superbowl, dass ich beinahe vergessen hätte, um was es in dieser Kolumne eigentlich gehen sollte. Ich freue mich so sehr. Ich habe nach mehr als zehn Jahren einen Veteranen des Wiener Holdem wieder getroffen. Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen. Wenn es zum Beispiel im Januar 1994 im gesamten deutschsprachigen Raum siebzig aktive Pokertische gab in den diversen Casinos und Cardrooms dann wurde an neunundsechzig davon Seven Card Stud gespielt und nur an einem Texas Holdem und an dem saßen eben er und ich und so saßen wir für die nächsten sieben Jahre gemeinsam da. Das letzte was ich von ihm wusste war, dass er so zwei, drei Jahre nach der Jahrtausendwende als verschollen galt. Man hatte sein Auto gefunden mit Zündschlüssel und offener Tür und er war weg. Womöglich tot, wie manche meinten und genau das hatte ich auch vermutet. Er wiederum hatte vermutet, dass ich irgendwo hinter verschlossenen Türen mein Schicksal fristen müsse. Wobei er wohl für mich eher an die gefütterten Türen einer geschlossenen Anstalt gedacht hatte, weil ich ja wirklich sonst ein Braver war und bin. Es war ein netter Abend und wir haben über die alten Zeiten geplaudert und über hunderte Nächte in denen wie mehr Geld umgesetzt haben, als wir jetzt beide zusammen im Monat verdienen.

Seattle-Seahawks-HD-WallpapersWas hat das alles jetzt mit dem ambitionierten jungen Leser meiner Kolumne zu tun? Wahrscheinlich nichts und irgendwie doch alles. Von Vince Young kann man lernen, ganz egal wie viel Geld man hat, es reicht nicht, wenn man den Boden unter den Füßen und das Maß verliert. Von meinem einst verschollenen Freund und mir kann man lernen, dass es schlau ist noch andere Talente zu entwickeln und dass eine Ausbildung auch nicht wirklich schadet im Leben. Abschließend noch einmal ein Gedanke zur vergangenen NFL Saison, die auch sicher für so manchen Spieler die letzte gewesen sein wird. Statistisch sind 78% der Spieler innerhalb der ersten fünf Jahre nach dem Karriereende in Privatkonkurs. Wir Pokerspieler sind da anders gestrickt, solange noch ein Buy-in irgendwo geht, wird die Karriere fortgesetzt. Mit erhobenem Haupt und der Gewissheit, es könne ab jetzt nur noch bergauf gehen, wenn die Asse endlich halten und KQ endlich aufhört das eigene AK zu suckouten. – Und dieser Optimismus macht uns irgendwie besonders und irgendwie liebenswert. Das meine ich  – ausnahmsweise mal – gar nicht zynisch, sondern aufrichtig aufrichtig.

Götz Schrage 

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