Polizisten, Nichtraucher und andere üble Gesellen – Heidelberg ist überall – Wer sich nicht wehrt

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Kürzlich spielte ich in einer privaten Pokerpartie. Lauter nette Menschen. Keine bösen Buben. Unbescholtene Staatsbürger, brave Steuerzahler mit solidem Einkommen und einer eigenen echten Kreditkarte. Selbstverständlich erfülle ich als Autor keines dieser soliden Kriterien, aber für den Rest der Spieler verbürge ich mich mit meinem guten Ruf. Um endlich auf den Punkt zu kommen, irgendwann gab es keine Chips mehr, einer der Gäste legte einen 50 Euro-Schein auf den Tisch und dann passierte etwas wirklich bedrückendes. Der Gastgeber sprang in der Sekunde auf, ging zum Fenster und schloss die Jalousien bis zur Unterkante Fensterbrett. Bargeld am Tisch! Am eigenen Tisch in der eigenen Wohnung und schon scheint man zu fürchten, dass ein Sondereinsatzkommando durch die geschlossenen Scheiben hechtet. Sonderbare neue Welt mit neuen abstrusen Ängsten. Gefällt mir gar nicht, wie so vieles. Der Trend ist nicht immer dein „friend“ und was gerade passiert mit uns hätte nicht passieren müssen. Wenigstens ist die Schuldfrage geklärt. Die Nichtraucher haben uns den süßen Duft von Tabak und Freiheit genommen und ahnen nicht einmal, welche Schuld sie auf ihre selbstgerechten Schultern geladen haben. 

Unsere Freiheiten zu tun und lassen, was wir glauben tun zu müssen, wird uns allen immer mehr genommen. Es geht bergab mit dem selbstbestimmten Leben und wer sich nicht wehrt, lebt immer noch verkehrt. Ich habe sie noch erlebt die goldenen 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Damals musste man noch eine Menge Dinge selber entscheiden, schnalle ich mich an beim Autofahren, oder lieber nicht. Zerdrücke ich die schicke Föhnfrisur mit einem Sturzhelm, oder setze ich mich lieber der Harmonie des Fahrtwindes aus. In jedem Taxi durfte man rauchen. In jedem Zug hatte man die Wahl zwischen poffeligen Abteilen mit übervollen Aschenbechern und guten Gesprächen, oder man setzte sich zwischen reisende Eltern mit viel zu lauten Kindern und betrank sich heimlich. – Vielleicht macht es ja Sinn, die Autofahrer zu zwingen sich anzuschnallen, und wer will schon die Gesichter der hässlichen Motorradfahrer sehen, wenn sie einen auf der Autobahn rechts überholen. Sollen die doch Sturzhelm tragen müssen, am besten den ganzen Tag über, wenn sie schon dabei sind. Solange es keine Wollmützen-Polizei gibt, die mich wegen „witterungsignoranter Bekleidung“ anzeigt, oder man seinen Blutfettwerteausweis zücken muss, bevor man seinen Big Mäc bekommt, ist ja alles in Ordnung. Bedenklich und besorgniserregend wurde es erst mit dem langen Marsch der Nichtraucher. Ein bedrückender Eingriff in unsere gesellschaftliche Freiheit und unser kulturelles Selbstverständnis. Wehret den Anfängen, solange es noch geht und die Ahnungslosen, die sich freuen, dass sie ihren Schnaps in Rauchfreiheit kippen dürfen, übersehen dabei, dass ihr Sieg auch einen Verlust an Freiheit mit sich bringt. Und wer glaubt, das könne ihm egal sein, weiß wohl nicht, wohin dieser Weg führen wird. Der Big Brother Staat bestimmt was gut für uns ist, anstatt dem Markt zu vertrauen und Nichtraucherlokale für die wachsende Gruppe der Nichtraucher aufzusperren, will man von oben verordnen, wie wir alle unser Leben zu leben haben. Und weil es der Staat so will, dürfen wir 50 Euro, 500 Euro oder alles was wir haben in den nächsten Abzockautomaten stecken, aber wenn acht erwachsene Menschen um einen Tisch sitzen, werden die Jalousien geschlossen. Pfui Teufel.

Kürzlich haben wir von Hochgepokert.com wieder einmal über den Skandal von Heidelberg berichtet. Kurz zur Erinnerung, hundert Beamte hatten letztes Jahr ein Kaffeehaus gestürmt, 22 Personen festgenommen. Gegen die „Haupttäter“ setzte ein bis heute dauerndes Ermittlungsverfahren ein. Die Kartengeber wurden wegen „Beihilfe“ angezeigt, einige Spieler wegen „Teilnahme an illegalem Glücksspiel“ als Beschuldigte geführt. In Summe wurden €12 000 „sichergestellt“ und beschlagnahmt. In meinen Augen schlicht und einfach gestohlen. Zwischen dem Einsatz der Behörden und dem was sie vorgefunden haben klafft eine riesige Lücke der Verhältnismäßigkeit. Der üble Skandal ist der Einsatz an sich. Anstatt einen Streifenwagen zu schicken und den Betreiber eventuell anzuzeigen, spielen wild gewordene Beamte Vietnam. Der zweite mindestens so große Skandal ist für mich das Schweigen der Presse und wo ist Alice Schwarzer, wenn man sie mal braucht? Was erlauben Markus Lanz, warum findet sich kein Plätzchen auf SPIEGEL Online und warum schweigt BILD, die sonst doch Platz hat für alles, was spannend ist und zum medialen Aufreger gereichen könnte? Will mich jetzt nicht in platten Vergleichen verlieren, wie manche Kommentare, die vielleicht ein wenig unsachlich und emotional formuliert waren. Aber wie die Behörden ihre Prioritäten setzen, darüber wird man doch noch laut nachdenken dürfen. Denken wir doch an den letzten November und die Schande von Hoyerswerda. Die dortige Polizei kapitulierte vor fünfzehn zum Teil amtsbekannten Neonazis und riet den beiden bedrohten Opfern des rechten Terrors doch besser die Stadt zu verlassen. Da darf man sich schon fragen, ob da eine Verhältnismäßigkeit gegeben ist. Oder vermeidet man die Auseinandersetzung mit Rechts, weil schließlich war das ja mal unsere Staatsform? Quasi früher mal legal und Poker eben nicht. Abgesehen davon passt es wohl mehr zur polizeilichen Grundgesinnung, ein paar Pokerspieler mit Migrationshintergrund abzuführen, statt sich mit gefährlichen Glatzen zu prügeln. – Und wenn ich schon dabei bin, mich aufzuregen: Hat man nach den furchtbaren Schulmassakern jemals davon gehört, dass die Schützenvereine vermehrt kontrolliert werden? Sind inzwischen ganze polizeiliche Abteilungen damit beschäftigt, die sachgemäße Verwahrung von zugelassenen Waffen zu überprüfen? Oder haben die Beamten auch dafür keine Zeit? Ich will den Behörden einen Tipp geben. Im Großraum Dortmund soll es regelmäßig eine heiße Würfelpokerpartie geben. Ein italienischer Pizzabäcker und ein türkischer Taxifahrer spielen Escalero auf drei Reihen zu €2/4/8. Wenn man alle drei Reihen verliert, muss man das Doppelte abdrücken. 60 kampferprobte Männer müssten reichen.  – Falls man auf dem Weg eine Horde Glatzen trifft, die ein Asylbewerberheim beschmieren – einfach wegschauen. So wie immer halt. 

Götz Schrage

PS: Suche dringend weinrote und blickdichte Vorhänge samt passender Vorhangsstange (170×190 cm). – Angebote bitte per Mail. 

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