Big Scotty auf Mauritius und ich am Boden – Die ungerechte Welt – Phönix aus dem Brand

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James Cook hat es deutlich schlechter getroffen. Den haben sie am Strand von Hawaii umgebracht und zerteilt. Jede wichtige Insulanerfamilie wollte schließlich ein kleines Stück der hellhäutigen Langnase haben. Scott „Big Scotty“ Hanna ist auch verdammt hellhäutig und wurde ebenfalls filetiert. Gott sei Dank nur finanztechnisch und Rozvadov ist schließlich keine Insel und mögen Gork, Reinkemeier und Quoss so manchem Laster frönen, Kannibalismus gehört nicht dazu. Die nehmen das Geld und lassen Scotty ziehen. Jetzt sitzt er auf Mauritius am Strand, schlürft Fruchtcocktails und bereitet sich auf das große Cash Kings Comeback im Mai vor. Meine besten Wünsche sind ihm sicher und meine guten Ratschläge werden ihn ebenso sicher nicht interessieren.

Unangenehme Aufgaben verschiebe ich so lange es irgendwie geht. Gefährliche Briefe lasse ich ungeöffnet und wenn sich meine Frau nicht erbarmt um ein wenig Ordnung in mein Leben zu bringen, kommt dann irgendwann der Gerichtsvollzieher und ich muss zahlen, was zu zahlen ist.

Fünf Stunden Filmmaterial galt es zu sichten. „Big Scotty going down!“ Ein gruseliger Titel und weil ich wohl den härtesten Job im ganzen Poker-Business habe, muss ich dann darüber schreiben auch noch. Sonst kommt zwar kein Gerichtsvollzieher, aber Ben Kang und der ist mehr als zwei Meter groß und ich hab es gerade wieder im Rücken und überhaupt. So habe ich verschoben und verschoben und mich heute Nacht dann in mein Schicksal gefügt. Es war schlimm und brutal. Quasi als müsste man sich Deutschland gegen Spanien dreimal nacheinander ansehen und jedes Mal hoffen, dass Puyol (rechts) die Nerven verliert.

Big Scotty ist wichtig. Wichtig für Poker, wichtig für Cash Kings und vor allem wichtig für mich. Man muss sich ja auch als Ü-49 mit jemandem identifizieren können, um wahrhaft von der Ferne dabei zu sein. Hermann Pascha ist ja mal ein grandioser Trumpf, aber immer auf German High Rollers warten ist dann doch zu lang.

Markus Lehmann ist ein sympathischer und seriöser Vertreter für Poker-Deutschland, anderseits so scheißreich, dass es mir schwerfällt, mich mit seinen Gedanken und Gefühlen zu synchronisieren. Wie soll ich jemand die Daumen drücken, der sich überlegt, ob er sich noch einen frisch gepressten Orangensaft kauft oder doch gleich das ganze Casino?

Scotty ist auf Augenhöhe. Jetzt ist oben (und das gönne ich ihm von Herzen) und ich friste mein Leben als unterbezahlter Lohnschreiber auf der besten Pokerseite der Welt, aber es gab nach meiner Einschätzung zumindest einen Tag in unserer beider Leben, da hatte ich mehr als er. Wenn er weiter mit den besten deutschen Pokerspielern und fünf Flaschen Rotwein in seiner Yankee-Birne zockt wie ein Verrückter, könnte sich das wieder gefährlich angleichen.

Einen Fehler macht jeder einmal. Erst im Livestream auf die Mütze bekommen und dann wieder auferstehen wie der berühmte Phönix aus dem Brand. Die zweite Luft hat kaum einer und auch kein Scotty. Sich zweimal aus dem Minus kämpfen zu müssen ist mindestens einmal zu viel. Anfänglich hält er sich noch ganz gut. Mit 25k Plus werden die gefühlten Eier nochmals doppelt so groß, allerdings feiern darf man erst, wenn alles vorbei ist und nicht mittendrin. Spätestens als das Plus weg war, war es um Scotty geschehen. Am Ende wird auf den leeren Filz gestarrt und Chips bleiben dann auch keine mehr zum Spielen für die rastlosen Finger. Vielleicht ist Scotty einfach schon zu lange in Europa, weil man sich als Amerikaner einfach nicht in sein Schicksal zu fügen hat. Man glaubt erst gar nicht daran und kämpft gegen das Unvermeidbare, weil man auch glaubt, das Unvermeidbare vermeiden zu können.

Big Scotty glaubt an den Kampf. Karten sind für Weicheier. Mit denen kann das jeder. Er will eine Menge Chips und die Angst des Gegners riechen. Und solange Scotty agiert, kann das auch funktionieren. In der Nacht bei Cash Kings hat es nicht funktioniert und konnte auch niemals funktionieren, weil Scotty kein Agierender, sondern ein Getriebener war.

Keine Hand war ihm schäbig genug und kein Flop fern genug. Wo bitte geht’s zur nächsten Hinrichtung? Bitte einen Platz reservieren, erste Reihe, mit Fußfreiheit – oder besser noch direkt am Schafott. Da sieht man kurzfristig am besten und spürt am meisten, und wenn die Promille in Höchstform durch die Blutbahn geistern, muss man die Dummheit so lange steigern, bis man dann endlich doch ins Bett gehen darf. Und wer sich da am Ende nicht ein klein wenig schlecht benimmt, ist nicht von dieser Pokerwelt.

Was macht Scotty auf Mauritius eigentlich wirklich? Hat er eine schöne Frau an seiner Seite oder Jan Heitman und George Danzer und die Amigos drillen ihn zur Bestform? Ich weiß es nicht, aber ich weiß es wird nie wieder passieren, was einfach einmal passieren musste und schuld daran ist Tobias Reinkemeier. Nebenbei erwähnt scheinbar ein netter Junge, der jederzeit gerne mit meiner Tochter ausgehen dürfte, aber darum geht es jetzt nicht. Es gab da einen kurzen Augenblick, der für die Zukunft alles ändern wird.

Ein gezeichneter Scotty spielt eine chancenlose Hand viel zu langsam und viel zu teuer und wieder ist es Tobias Reinkemeier dem der Dealer einen Berg von Chips zuschiebt. Dann passiert es: Tobias wirft Scotty einen kurzen Blick des Mitleids zu und er tut das, weil er ein Gentleman ist und es ihm vielleicht langsam fast ein wenig peinlich wird, in welchem Tempo sein Gegner das Geld vernichtet. Und Scotty erwidert diesen kurzen magischen Blick und man merkt, dass er realisiert was da passiert, aber gleichzeitig nicht mehr reagieren kann, weil sein Pokerschicksal an dem Abend nun mal besiegelt war.

Nur Mitleid wird sich Scotty nicht gefallen lassen. Dann lieber pleite, tot und gevierteilt. Scotty wird im Mai wieder kommen. Ganz zweifelsfrei und hundertprozentig sicher und Scotty wird stark sein, gefährlich sein und hoffentlich auch nüchtern.

G. Schrage

Hier geht es zur Sendung Cash Kings: „Big Scotty going down!“

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