Der Ivo Donev Blog: WPT Montesino – Der Pokerboom in Wien (Fortsetzung)

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Hallo liebe Leser,

das Schöne an einem mehrtägigen Pokerturnier ist, dass man sich nach dem ersten Turniertag für die weiteren Tage besser vorbereiten kann, da ich als Spieler jetzt alle Gegner kenne und sie deshalb unter die Lupe nehmen kann. Natürlich bekommt man nach einer bestimmten Zeit an jedem Tisch Infos über seine Gegner.

Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass die konkrete und frühzeitige Vorbereitung auf die Gegner noch größere Vorteile verschaffen kann. Das war auch mein Vorgehen bei der World Poker Tour im Montesino (Wien). Über die WPT habe ich im ersten Teil schon berichtet. Und so ging es weiter …

Zuerst habe ich die genaue Besetzung an meinem neuen Tisch Nr.16 aus dem Internet erfahren:

Platz 1: Evert Bos, 43.400 Chips (M=12), Holland.

Platz 2: Simone Falorni, 56.800 (M=16), Italien, hat 40k seit 2009 gewonnen.

Platz 3: Ruben Visser, 237.600 (M=66), Holland, 311K seit 2009, PokerStars Team PRO.

Platz 4: Claudiu Secara, 39.000 (M=11), Rumänien, 342k seit 2008, spielte 2010 Finaltisch bei der EPT Deauville.

Platz 5: David Stogel, 69.000 (M=19), USA,  22k seit 2006.

Platz 6: Gerhard  Kouba, 108.700 (M=30), Österreich, 3k seit 2007.

Platz 7: Ivo Donev, 86.600 (M=24), Österreich.

Platz 8: Jan Sorensen, 114.600 (M=32), Dänemark, 2 Millionen seit 1995, PRO.

Platz 9: Marius Maciukas, 86.400 (M=24), Litauen, jung, 27k seit 2010.

Zuerst rechnete ich die „M“ aus: Level 11, Blinds 600/1200, Ante 200. Eine Runde kostete also 3600. Es hatte sich herausgestellt, dass niemand im „Push oder Fold“-Modus war. Sogar der Short Stack hatte über 30 Big Blinds.

Dann begann ich im Internet mehr Infos über meine Gegner zu sammeln. Es waren drei Profi-Spieler (Platz 3, 4 und 9) am Tisch, wobei  Ruben Visser sogar der absolute Chipleader von den restlichen 260 Spielern am Tag 2 war! Jan Sorensen war ein erfahrener und zum Glück (weil er links von mir war) auch solider Spieler. Insgesamt hatte ich einen Überblick bekommen, wer an meinem Tisch erfahren war, wer viele oder wenige Turniererfolge hatte und so weiter. Diese Infos können mir enorm helfen bei wichtigen Entscheidungen an einem neuen Tisch.

Level 11, UTG: Gerhard Kouba raiste auf 3.000. Ich sah zwei rote Damen in meiner Hand und schätzte die zwei möglichen Varianten ab:

a.) Call – einerseits verschleierte ich so die wahre Stärke meiner Hand, andererseits gab ich gute Odds für die nachkommenden sieben Spieler.

b.) Raise – so schützte ich meine Hand und isolierte wahrscheinlich den UTG-Raiser im Heads-up, wobei ich gute Position hatte.

Gedacht, getan: Ich reraiste auf 8.800 und wie geplant hatte niemand die Idee, sich in diesen Feuerball einzumischen. So weit so gut, jetzt war Gerhard an der Reihe. Er begann zu grübeln, und seine und meine Chips zu beobachten. Nun wurde mir plötzlich warm: Was mache ich, wenn er mir ein kräftiges Reraise um die 30.000 verpassen würde? Diese unangenehme Variante hatte ich fast vergessen.

Ok, im Turnierpoker ist das Schlüsselwort „vermuten“, denn es ist unmöglich, alles im Voraus zu sehen! Gerhard als braver Pokerbürger akzeptierte mein Angebot und so sahen wir zu zweit den Flop: [Ax][5x][3x].

Er checkte. Was nun? Entweder hatte er ein „Big Ass“ wie [Ax][Kx] oder [Ax][Qx] oder ein mittleres Paar – so dachte ich wenigstens. Mit meiner Conti-Bet von 9.200 stellte ich ihm die Frage … Er callte schnell, und mir war klar, dass ich jetzt hinten lag. Turn: [7x]. Er checkte, ich ebenfalls. River: [9x]. Gerhard spielte 15.000. Ich foldete offen meine Damen und sagte zu Gerhard: „Zeige mir bitte deine AK“. Er war sehr freundlich und bestätigte meine Vermutung: [Ax][Kx]. Also ein schlechter Anfang des zweiten Tages, aber dafür war es nicht ein so großer Schaden!

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Level 13, Blinds 1000/2000, Ante 200. Ich wurde an den neuen Tisch Nr.19 gesetzt und die Informationssammlung begann wieder von vorne! Na ja, trotzdem konnte ich meine „Tag-2-Vorbereitung“ circa zwei Stunden nutzen und meinen Stack auf circa 95.000 Chips aufbauen.

An meinem neuen Tisch war ein sehr junger „Bwin“-Spieler aus Österreich: Thomas, der klarer Chipleader mit über 220 000 war. Er spielte ziemlich loose, aber selbstbewusst, und das war meine erste Begegnung mit ihm. Alle foldeten bis zum Cut-Off, Thomas, der auf 5.100 raiste. Nur ich war übrig. Meine Karten im Big Blind: Ah4h. Eine gute Hand mit Potenzial, einen größeren Pot zu gewinnen, besonders gegen die breite Range von Händen meines jungen Gegners. Als einziger aktiver Spieler callte ich. Der Flop fiel ziemlich gut aus mit 3c4dTh.

Jetzt checkte ich mit der Absicht zu raisen, da ich ziemlich sicher war, dass ich vorne lag und mein looser Gegner zu 99 Prozent eine Conti-Bet machen würde. Er feuerte 4.100 und ich setzte meinen Plan fort: Raise auf 10.400 mit der Hoffnung, genau hier den Pot einzustreichen. Mein Gegner aber hatte andere schmutzige Pläne.

Nach kurzem Hin und Her mit seinen Chips schob er circa 22.000 in die Mitte! Ich war wie erstarrt, aber trotzdem glaubte ich nicht, dass er in diesem Moment wirklich vorne lag. Jetzt fragte ich im Gedanken meine zwei Freunde: den Thunfisch und den Walfisch. „Thunfisch, was soll ich in dieser schweren Situation tun?“ Er sagte: „Frag meinen großen Bruder, den Walfisch!“ Der Wahlfisch sagte mir: „Du hast die Wahl, Ivo, calle oder reraise!“

Hm, dachte ich. Wenn ich reraise, dann bin ich fast committed. Lieber calle ich und sende ihm dadurch das Signal, dass er geschlagen ist. Gedacht getan – Call. Turn: [9x]. Ich checkte, mein Gegner ebenfalls. Dieses Checken hatte meine Vermutungen unterstützt, dass mein Gegner nur heiße Luft hatte. River: [7x]. Jetzt hatte ich noch weniger Lust zu wetten, da drei Overkarten vor meinen Baby-Paar lagen.

Ich checkte wieder und wusste nicht genau was ich machen würde, sollte mein Gegner jetzt eine große Wette abfeuern. Thomas hatte aber freundlicherweise auch gecheckt. Ich zeigte erleichtert 4-4. BOOM! Er drehte stolz 7-8 offsuit um und der Pot ging leider in die falsche Richtung – nämlich zu meinem jungen Opponenten! Wow! Ich war ziemlich frustriert.

Dieses  Internetkid hatte mich mit 8-high und einer 3-bet am Flop 3c4dTh hochgenommen. Kein Paar, kein Draw, gar nichts! Ich gebe zu, dass ich diese Hand nicht optimal gespielt hatte. Ich sollte unbedingt eine 4-bet am Flop bringen und wie die Italiener sagen „comedia la finita“! Aber so ist Poker, nach dem Spiel ist es immer leichter zu erkennen, wo ich Fehler gemacht habe.

FAZIT: Geradliniges Poker kann manchmal beim Limit Hold’em erfolgreich sein, aber bei No Limit Hold’em auf keinen Fall! In No Limit Hold’em Turnieren sind immer öfter die jungen Tricky-Spieler, die oft bluffen, rebluffen und verrückt gambeln sehr erfolgreich!

Es lief Level 17. Blinds 2500/5000, Ante 500. Nur noch 85 Spieler waren übrig geblieben und mein Chip Stack sank langsam aber sicher. Ich hatte nur noch 50.000 Chips vor mir. Ich blutete und war bereit mit jedem Paar oder gutem Ass All-In zu schieben. An meinem neuen Tisch herrschte Terror. Es wurde immer wieder geraist von 2 bis 3 Spielern mit Big Stacks. Und in den wenigen ungeraisten Pots zu mir, hatte ich nur Schrottkarten.

Endlich bekam ich eine so zu sagen „All in Pflicht Hand“ am Button: ein Paar [9x][9x]. Der UTG Spieler Alex Kuzmin aus St. Petersburg, der sehr loose spielte, raiste auf 11.000, was mich nicht von meinem Plan abschrecken konnte. Leider kam nach ihm noch ein weiteres Reraise auf 26.000 von einem soliden Spieler. Das vernichtete meine Träume total. Ich foldete die so lange erwartete „Big Hand“ mit großen Bauchschmerzen.

Und mit Recht, weil der Reraiser ein paar [Ax][Ax] zeigte. Genaue in der nächsten Hand bekam ich AdKs und alle foldeten zu mir, nun leuchtete die grüne All-In Ampel! Ich pushte und wurde nur von Big Blind (Max Noll) gecallt, der [9x][9x] umdrehte. Auf dem Bord kamen [Kx][Qx][5x][Jx][2x] und ich gewann den wichtigsten Coinflip in der Bubble-Phase dieses Turniers. Na endlich hatte meine Albtraumhand [Ax][Kx] einen wichtigen Pot gewonnen.

Es war Level 19. Blinds 4000/8000 und Ante 1000. Und es ist Bubble-Time! Mein Stack war einer der shortesten mit circa 75.000, aber es gab zur diesem Zeitpunkt einige Spieler mit Stacks zwischen 30.000 und 60.000. Nur 55 Spieler waren geblieben, aber erst Nummer 54 lag im Preisgeld, dafür aber in rentablem Rahmen – 7800 Euro. Bei jedem Turnier ist es besonders spannend in der Bubble-Phase, weil alle bis jetzt gebliebenen Spieler die Money-Insel sehen und trotzdem einer untertauchen und in die saure Gurke beißen müssen. Das ist nicht immer der shorteste Stack, sondern wie hier jemand, der einen groben Fehler macht oder dumm spielt …

An meinem Nachbartisch verlor ein Italiener die normale Poker-Orientierung und kam auf die schlaue Idee gegen den Chipleader am Tisch für  100.000 All-in zu reraisen. Der Chipleader Simon Ravensbek callte schnell mit [Kx][Kx] und gewann gegen [8x][8x]. So hatte der Italiener praktisch auf  7.800 Euro verzichten müssen und alle Shortys rieben sich vor Freude ihre Hände!

Jetzt begann eine ganz ganz neue Situation. Die Shortys waren sicher im Geld und starteten ein Massaker. Ich war auch ungeduldig, wollte mich verdoppeln oder rauszufliegen. Ganz schnell waren nur 44  Spieler übrig geblieben und ich bekam am Cutoff Ac5c.

Alle foldeten zu mir und mit meinem mageren Stack von 85.000 hatte ich nur eine Entscheidung:  All-In. Der Small Blind callte, aber der Big Blind reraiste kräftig. So landete ich im Heads-up gegen den „Bigi“ der [8x][8x] umdrehte. Ich lag 1 zu 2, also 34%-66%, hinten. Aber die Hoffnung war da, mich zu verdreifachen. Am Flop ein Ass … Aber am Turn [8x] und auf Wiedersehen.


Fazit: Vergessen Sie die Geschichte von „Chip and a Chair“. Als Short Stack in der Bubble-Phase muss man zufrieden sein in den Geldrängen zu landen. Früher oder später wird der Short Stack ausgesuckt. Meistens auch von einer schlechteren Hand, weil der Shorti keine Munition mehr hat, um seine Hand zu schützen. Irgendwie war ich mit meinem Spiel an Tag 2 bei der WPT Wien nicht zufrieden.

Ich hatte mit einem gutem Stack begonnen, aber leider zu passiv gespielt, hatte nicht mein „A-Game“ gefunden und bald als Short Stack am Ende des Tages um’s Überleben gekämpft. Das kann nicht der richtige Turnierpoker-Stil sein! Drei Wochen später, bei der  CAPT Salzburg (Buy-In: 1000 Euro), hatte ich von Anfang an offensiver gespielt. Und es hat … für den ersten Platz gereicht! Das war mein 22. Turniersieg.

Euer Ivo „The Chessmaster“ Donev

PS: Denken Sie daran: Das Gesicht eines idealen Pokerspielers gibt keine Informationen preis!

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