Swingerclub und Cardcasino – Motive im Wandel – Eine vergleichende Analyse

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Wenn es mit den eigentlichen Zielen nicht klappen will, muss man periphere Strategien entwickeln. Irgendwas geht immer und das persönliche Glück schmiedet sich niemals von selbst, man muss schon etwas dafür tun. Ein naher Bekannter besucht seit Ewigkeiten jeden Freitag den Swingerclub in meinem Viertel. Freitag ist „Pärchentag“ und wer die Dame seines Herzens mitbringt bekommt maximale Ermäßigung und hat nebenbei eine Art „Spaßgarantie“. Mein naher Bekannter gehört zur traurigen Kaste der „Solo-Herren“. Das bedeutet Vollpreis mit Zuschlag und garantiert ist quasi gar nichts. Ein Swingerclub ist nun mal kein Kindergeburtstag und mitspielen darf wirklich nicht jeder. Besonders bierbäuchige Mittvierziger haben da bestenfalls mickrige Außenseiterchancen. Moderne Swingerclub-Legenden erzählen zwar von willigen jungen Damen auf der Suche nach einem Rudel ausgehungerter Männern. Es besteht aber der begründete Verdacht, dass es sich nur um perfides Marketing des Clubbetreibers handelt. Die finanziell so wertvollen „Solo-Herren“ – man verzeihe mir den platten Scherz – müssen ja irgendwie bei der Stange gehalten werden.

Bleibt nur das Buffet. Aus Frust für den verschwendeten Eintrittspreis, aus Ärger über die walrossartigen Umrisse seines Körpers und aus Rache für den bunten Newsletter des Swingerclubs, von dem er sich seit Jahren immer wieder aufs Neue verführen lässt, werden die üppig gedeckten Tische so weit wie möglich geleert. Mein Bekannter frisst sich quasi ins Plus und kann mit dieser Strategie seiner, aus anderen Intentionen getätigten, Investition noch halbwegs Sinn geben. – Im Casino treffe ich ständig Menschen mit massiven Motivschwankungen. Zu Beginn wird das mitunter reichlich mickrige A-Game ausgepackt, schließlich ist man da um Geld zu gewinnen. Was sonst sollte einen sozial halbwegs eingebetteten Menschen dazu treiben, sich die Nacht an ominösen Orten um die Ohren zu schlagen. Nachdem die siebte Lage Geld verbraten ist, wird das Ziel erstmals neu definiert. Es geht nicht mehr um Reichtum, Ruhm und sorgenfreie Zukunft. Die neue unerreichbare Begierde gilt der „Parisierung“. Dem zweifelhaften Glück das Schlachtfeld im Morgengrauen zu verlassen und annähernd den gleichen Betrag in der Tasche zu spüren, wie zu Beginn des Gemetzels.

Wenn nicht einmal das mehr auch nur irgendwie realistisch erscheint, muss man sich komplett neu orientieren. Ähnlich dem wackeren Kollegen im Swingerclub, der schlau die Triebe wechselt und spontan von sexueller Begierde ebenson gierige Nahrungsaufnahme schaltet, bleibt dem Desperado am Pokertisch nur noch eines: Der Gegner kann nicht besiegt werden, also wird er gequält und weil man keine Lust hat nach eigenen Fehlern zu suchen, versucht man den Dealer welche unterzujubeln. Die Blinds werden nur nach mehrfacher Aufforderung gesetzt und soweit weg wie möglich von den suchenden Dealerhänden. Trinkgeld wir erst gar nicht gegeben – wenn man dann doch einmal einen selbstverständlich viel zu kleinen – Pot gewinnt. Die Suppe ist zu salzig, oder zu kalt. Das Bier ist immer zu warm und hat zuwenig, oder zuviel Kohlensäure. So oft es erlaubt ist wird „deck change“ gebrüllt und jedem, der es nicht hören will, werden die langweiligsten Bad Beat Geschichten erzählt. Ein ganz klarer Versuch der negativen Dominanz. Man scheitert daran dem Gegner das Geld wegzunehmen, also raubt man ihm die Nerven und hinterher fühlt man sich hoffentlich ähnlich mies wie der Dauerfresser am Buffet. Weil – und jetzt kommt die Moral -, wenn man die Kernmotiven der Örtlichkeit aus den Augen verliert, macht man sich sehr leicht ein wenig lächerlich und verliert neben dem schönden Mammon auch noch Würde und Reputation. – In diesem Sinne hoffe ich, meinem von Gott und Ben Kang zugeteiltem Bildungsauftrag für heute genüge getan zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen.

G.Schrage

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