

„Lass doch diese alten Gangstergeschichten. Sind wir froh, dass Poker endlich aus dieser schmuddeligen Ecke raus ist.“ Diesen Vorwurf höre ich oft und selbstverständlich mit Recht, aber meine Lagerbestände an unschmuddeligen Analogien und Metaphern sind nun mal reichlich dünn. Kaum hat unsere geliebte Seite Hochgepokert.com eine mobile Version für unsere smarten Leser mit den smarten Handys, erinnere ich mich zurück an die alten Zeiten, in denen Handys noch schwer wie Briketts, und rar wie Dealer mit gut gebügelten Hemden, waren. Spätestens seit der EPT Berlin lebe ich quasi dauerinformiert und verfolge den Hochgepoker.com Liveblog. Ob am Wurstregal, beim Friseur oder in der Hundezone, sobald mich die Neugier überkommt, fasse ich in Jackentasche und zücke mein smartes Handy schneller als Billy the Kid es jemals könnte. Und schon wieder bin ich in meinen schmuddeligen Assoziationen verhaftet. Zu den Urzeiten der mobilen Telefonie begab sich folgendes. Zwei halbstarke Freunde mit wenig Grips und recht viel Geld verirrten sich in ein höflich ausgedrückt „milieunahes“ Lokal mit der Ambition an einem durch und durch illegalen Glücksspiel teilzunehmen. Der Dümmere der beiden Dummen ließ sich noch dazu auf ein Wortgefecht mit dem Lokalpsychopathen ein, worauf der etwas weniger Dumme schlauerweise das Weite suchte, was zwar nicht für seinen Charakter, aber durchaus für einen gewissen Restverstand spricht. – Aus der sicheren Distanz wollte er dann seinen Freund doch nicht so ganz im Stich lassen und so rief er den hitzig streitenden Kumpanen am Handy an, um ihm zu sagen, dass man den Lokalpsychopathen keinesfalls reizen sollte. Schon reichlich in die Ecke gedrängt, spürte der auch prompt den vertrauten Vibrationsalarm. Ein schneller Griff, oder besser formuliert, ein schneller Versuch in die Jackentasche zu greifen und schon lag er zappelnd und mit brummenden Schädel am Rücken. Wie gesagt, Handys waren damals rar und so ein rasanter Griff in das Jackeninnere, konnte schon mal falsch interpretiert werden. – Interessanterweise erfuhr der Dümmere der beiden Dummen so aber genau das, was er auch am Telefon erfahren hätte. Allerdings in der etwas schmerzhafteren Variante.
Ich habe auch kein leichtes Schicksal im Moment. Miese Gefühle und ein leichter Anflug von Depression umnebeln mein sonst so sonniges Gemüt. Alle lieben Kollegen sind in Berlin und ich bin daheim geblieben und fühle mich wie ein Verstoßener. „Das schönste hier in Wien ist der Schnellzug nach Berlin“. Mit der Songzeile stand ich seinerzeit oft auf der Bühne. Brutal wahr irgendwie. Zumindest im Moment. Nächstes Jahr bei der EPT Berlin bin ich fix dabei, obwohl mich so eine eingemauerte Stadt doch irgendwie ziemlich nervös macht. – Was mich auch nervös macht ist die abflauende Berichterstattung in den pokerfernen Medien. Torsten Otte fehlt nicht nur denen, die mit ihm befreundet waren. Unser früherer Mann bei BILD fehlt uns allen und wird wohl auch nicht zu ersetzen sein. – Der wackere Pius Heinz strengt sich aufrichtig an und machte seine Sache als neuer Pokerbotschafter wirklich gut. Die Resonanz bleibt trotzdem dünn und überschaubar. Dass er jetzt noch ausgeschieden ist, hilft der Sache auch nicht wirklich (habe ich eben auf meinem Handy gelesen. Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass Hochgepokert.com jetzt auch eine mobile Version hat?). – Gibt man etwa bei Google-News aktuell den Suchbegriff „Poker“ ein, findet man – abseits der relevanten Pokernews-Seiten – fast nur Berichte zu den Verhandlungen über die Bundesliga-Rechte. „Sieg im Fußball-Poker. Eitel Sonnenschein bei Sky“. „Milliarden-Poker zwischen Sky und Telekom“ und ähnliches. Die Frankfurter Rundschau berichtet über den „Reifenpoker“ in der Formel1 mit der vielversprechenden Überschrift: „Schwarzes Gold. Das Gummi-Orakel“ und SPIEGEL Online wird aktuell immer noch mit der angegrauten News: „Poker um Auffanggesellschaften Länder streiten über Schlecker-Bürgschaft“ gefunden. – Das waren noch Zeiten, als man sich auf die SPIEGEL Online Pokerlegende Lasse König verlassen konnte. BILD hat zwar die obligatorische Boris Becker trifft Pius Heinz Story am Start. Aber mehr als mau und wenig originär.

Götz Schrage








