

Man trifft und sieht sich halt in den diversen Wiener Kaffeehäusern der Nacht und besagter Daniel E. fiel mir da schon mehrmals als feuriger Genosse auf. Im Dienst smart, höflich und scheinbar völlig unbeeindruckt von all den halblaut vorgetragenen Flüchen und Verwünschungen. Scheinbar taub auf dem Ohr, wenn es darum halb ernst und ganz ernst gemeinte Beleidigungen zu überhören. Dass man da dünnhäutig und empfindlich wird, dass man da auch mal – nach dem Dienst – die Nerven verliert, ist leider fast schon zu erwarten. Im Zusammenhang mit erlaubten und verbotenen Substanzen, kann dann schon mal mehr passieren, als passieren sollte. In gewisser Weise, mache ich mir in der konkreten Angelegenheit selbst einen eng gesteckten Vorwurf. Es gab nämlich bereits einmal einen Vorfall mit Daniel E., den man rückwirkend hätte viel ernster nehmen müssen. Nicht von strafrelevanter Bedeutung selbstverständlich, sonst würde ich das hier an dieser Stelle nicht so öffentlich beschreiben, aber nennen wir es diplomatisch, eine völlig unangemessene verbale Entgleisung und danach ein fast völlig leeres Lokal. Ausgerechnet an dem Abend war ich nicht dort, aber wohl weil ich der größte und schwerste aus der Runde bin, riefen mich noch in derselben Nacht mehrere der Gäste an und erzählten mir davon. Bei nächster Gelegenheit habe ich ihn dann angesprochen. Im Nachhinein betrachtet mit einer völlig unangemessenen oberflächlichen Bemerkung. Genau sind mir meine Worte nicht mehr erinnerlich. Sinngemäß etwa aus der Abteilung, er soll nicht vergessen in der nächsten Kirche zwei Kerzen zu spenden, dass ich in besagter Nacht nicht da war. – Aus heutiger Sicht und angesichts meiner Routine, hätte man schon diesen verbalen Kontrollverlust als verdeckten Hilferuf sehen müssen, ohne mich jetzt zu sehr als Hobbypsychologe aufspielen zu wollen. Ein besserer Gesprächsansatz von meiner Seite, mit dem Ratschlag doch therapeutische Hilfe anzunehmen, wäre sicher angemessen gewesen. Und ich hoffe ernsthaft für Daniel E., dass es bei dem zu erwartenden Verfahren statt einer ernsthaften Strafe einen ernsthaften Ansatz für verpflichtende Inanspruchnahme von therapeutischer Hilfe geben wird.

Drei Hände später habe ich Platz Drei aus dem Turnier gedealt. Runner, runner und fertig war der Bad Beat. An so eine stabile Erektion erinnere ich mich zuletzt, wie ich seinerzeit meinen ersten Theresa Orlowski Film sehen durfte. Der gedealte Bad Beat war quasi mein persönlicher Turniersieg. – Als ich dann Pause hatte, kam der Problemgast von hinten auf mich zu. „Boy. Du stehst jetzt auf meiner schwarzen Liste und wer einmal auf meiner schwarzen Liste steht, kommt da ganz schwer wieder runter.“ Ich bin dann aufgestanden, habe an meine Frau gedacht und daran wie unheimlich weh die eigenen Hände danach tun, wie hart Köpfe sind und wie das so sein würde mit meinen klausthrophobischen Tendenzen eingesperrt zu sein über Nacht in irgendeinem Vorstadtwachzimmer und habe gar nichts gemacht. Einfach nichts und habe mich mies gefühlt. Ich habe mich auch noch am nächsten Morgen mies gefühlt und ich spüre es heute noch irgendwie ganz weit hinten.
Dealer sind unter unheimlichen Druck. Mich bringt so eine Nacht schon aus der Fassung. Deswegen gehören meiner Meinung Dealer viel besser geschützt und unterstützt. In der Angst sich mit wichtigen Gästen anzulegen, wird viel zu viel durchgelassen. Unregelmäßige Schlafenszeiten, überlange Schichten und ein oft frustrierend schlechter Verdienst. Früher gab es auch betrunkene Dealer, aber die wären in der goldenen Zeit niemals mit der Straßenbahn gefahren, und vom kampferprobten türkischen Taxifahrer hätte es wohl beim Ziehen einer ungeladenen Gaspistole ein paar Ohrfeigen gegeben. Man muss den Dealern auch helfen, weil sie es schließlich sind, die draußen an der Front den Betrieb am Laufen halten. Vielleicht könnte eines der beiden großen Card Casinos vorpreschen. Seminare zur Stressbewältigung anbieten, oder vierteljährlich auf freiwilliger Basis einen Workshop anbieten. Methoden zum Umgang mit innerer und äußerer Aggression. Sollte sich aus dem traurigen Anlassfall so etwas entwickeln, wäre das ganz sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Für den Fall, würden wir von Hochgepokert.com ganz sicher darüber berichten. Vielleicht schreibe ich mich auch selber ein. – Sicher ist sicher. Für mich und für die anderen.
Götz Schrage








