

„Wie kannst du immer nur so negativ schreiben? Auf die Dauer wird dich niemand dafür bezahlen, dass du allen erklärst, wie schlecht alles ist.“ Das hat meine Frau gesagt und sie hat natürlich wie meistens recht. Die Frage bleibt ja nur, wird bald noch irgendwer irgendwen bezahlen? Nirgendwo fließt Geld so akkurat von unten nach oben, wie in der Pokerindustrie. Quasi wie ein Pyramidenspiel ohne Betrüger und die, die oben sind, können tatsächlich etwas. Nur damit alles fließt, wie es fließen muss, braucht es Sieger in den unteren Rängen. Sonst zerreißt es das System. Wer einst am 1er Blind begonnen hat und jetzt in Macau $10.000/20.000.- mit den Superreichen zockt, brauchte eine stabile Leiter auf dem Weg nach oben. Solange die UNESCO Poker nicht zum Kulturerbe erklärt, muss sich diese Leiter selbst finanzieren und da auf besagtem Weg zum Licht viel Geld abfließt, braucht es entweder extraviele Nachrücker, oder alles bricht irgendwann zusammen.

Jetzt könnte man auf den ersten Blick meinen, alles bestens aus der Sicht der Casinobertreiber. Fluktuierende Chips die sich kreisförmig zwischen Halbkönnern bewegen, versprechen doch maximalen Profit. Das Problem ist nur, dass dieses aus Sicht des Unternehmers verständliche Streben nach dem maximalen Profit seine Halbwertszeit hat. Der Nerd ist ja da, weil er – mit einigem Recht – an seine Gewinnerstrategie glaubt. Allerdings damit das auch aufgeht, braucht es das entsprechende Poker-Biotop. Es braucht Big Spender und beim Warten auf diese raren Exemplare, dürfen die Casinospesen nicht den „Plus-EV-Traum“ zerstören. Der Fisch an sich, rechnet nicht mit Profit und tief drinnen in seinem Inneren, weiß er auch, dass sich seine Bilanzen niemals grundlegend ändern werden. Wer vor dem Flop, nach dem Flop und überhaupt alles falsch macht, wird eben dafür bezahlen und weiß auch irgendwie warum. Hingegen der NL-Experte wird seinen Frieden niemals finden. Da macht man endlich einmal im Leben alles richtig und es wird wieder nicht belohnt. Aufkeimende Selbstzweifel am eigenen Können – die absurderweise meist unberechtigt sind – werden beruhigt mit langweiligen Bilanzen des Unglücks. So aus der Abteilung: „Hätte ich in den letzten fünf Schlüsselpots meine Asse nicht gegen KQ verloren, wäre ich dieses Jahre ja weiter vorne, aber so…..“. Ist natürlich naive Illusion. – Zusammenfassend möchte ich den Teil Eins meiner Gedanken hier abschließen. Fest steht für mich, es kann nicht so weitergehen, weil es nicht so weitergehen kann. Aber es gibt immer ein Licht am Ende des Tunnels und es wird sicher neues Pokerleben entstehen. Was man tun könnte und sollte und wieso ich mir trotz allem ein Stück Optimismus in mir spüre, behandle ich dann im zweiten Teil dieser Kolumne.
Götz Schrage







