Schräge Gedanken – Alles was Sie schon immer über Respekt wissen wollten

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„Es ist respektlos, wenn man vor einem Gegner keinen Respekt hat“ – Uli Hoeneß

Autor Götz Schrage
Autor Götz Schrage

Weise Worte. Auf Hoeneß ist halt Verlass in allen Lebenslagen. Respekt sollte man schon haben. Auf alle Fälle, in jedem Fall und als Pokerspieler sowieso. Allerdings haben es Fußballspieler da deutlich leichter. Gute Spieler in den unteren Ligen kennt man wohl von Erzählungen und die wirklich guten, kennt man aus dem Fernsehen. Niemand kann gegen Lionel Messi spielen und hinterher sagen, das ZDF und Sport1 hätten ihn nicht gewarnt. Poker ist ein klein wenig komplizierter und man hat in der Regel auch mit komplizierteren Menschen und Situationen zu tun. Floormänner (wenn die mal da sind) haben selten Pfeifen und schon gar keine Assistenten, sondern meist nur auskunftgebende Dealer, die ihr Informationshandwerk scheinbar bei der Spionageabwehr gelernt haben. In der folgenden Kolumne beschäftige ich mich mit Respekt in allen Variationen. Wahrscheinlich schreibe ich den differenziertesten und wichtigsten Text zu diesem Thema. Dafür bitte ich den geschätzten Leser – richtig geraten – um den hart verdienten Respekt.

Respekt vor Rake und sonstigen Spesen

 Sie haben alle Bücher gelesen, Sie haben schon einmal AK suited vor dem Flop entsorgt (und Damenpaare im Dutzend gefoldet). In allen relevanten Foren sind Sie registriert und arbeiten mit vielen wichtigen und noch mehr wichtigen „Postings“ an Ihrem hierarchischen Status. Trotzdem will es nicht so recht klappen mit den positiven Bilanzen in Ihrem Pokerleben. Irgendwas kann also nicht stimmen. Vielleicht sollten Sie Ihr grundsätzliches Selbstvertrauen weiterhin pflegen, aber zusätzlich etwas mehr Respekt entwickeln. Nämlich, Respekt vor dem Rake und alles was so an Casinospesen anfällt. Wenn Sie etwa im Live Game regelmäßig in 35 Euro Pots verwickelt sind, und der Dealer drei Euro Rake plus einen Euro Jackpot versenkt und dann zurecht noch ein angemessenes Trinkgeld erwarten darf, wird es sehr schwer mit dem Gewinnen. Da können Sie „floaten“, „squeezen“, „shoven“ und „check-raisen“ was das Zeug hält, es wird alles nichts nutzen. Auch im Hinterzimmer beim Türken um die Ecke tut man sich schwer. Die Partie ist deutlich höher und die Pots gewaltig, allerdings fünf Prozent Rake ohne Top ist schwer zu schlagen. Besonders, wenn Kopf – und Prozentrechnen im türkischen Lehrplan nicht den notwendigen Stellenwert zu haben scheint. Abgesehen davon wird in osmanischer Gelassenheit so manche längere Nachdenkpause der Spieler genutzt, um irrtümlich zweimal zu versenken. Viel Vergnügen beim Beschweren.

Respekt vor der eigenen Dummheit

 Leere Taschen im pokertechnischen Faktencheck. Intelligente Menschen mit erstklassigem analytischem Verstand im casinofernen Leben werden zu trotzigen Kleinkindern, sobald sie Karten in der Hand halten. Wahrheitsdefizite gepaart mit paranoiden Tendenzen. Unschuldige Dealer werden zu Monstern stilisiert – „bei den Reisfressern verliere ich immer“ – „Dealerinnen muss ich meiden, Frauen haben im Casino nichts verloren. Maximal kniend unter dem Tisch, wenn es nach mir geht“ – „Der Hund verseucht mich seit Jahren und dann grinst er immer und freut sich richtig“   – selbstverständlich kennen wir seriösen Spieler solche Sprüche nur vom Weghören und wer jemals auch nur zustimmend genickt hat, soll sich gleich hinter den Spielautomaten in die Ecke stellen und schämen.

Wobei das Schimpfen und Lügen – „Top Two habe ich gehabt selbstverständlich“ – „Am Turn Nuts, was denn sonst“ – „Wieder die Asse verloren am River wegen der Chinesin“ – kostet wirklich viel Geld auf die Dauer und beschädigt Ansehen und Bankroll massiv. Zugegeben, Ansehen könnte einem ja relativ egal sein, aber wenn man bei jedem verlorenen Pot die eigenen Fehlleistungen ignoriert, verhindert man jeglichen spielerischen Fortschritt. Um besser zu werden, muss man sich den Lauf der Karten und die getätigten Einsätze genau merken und dann in Ruhe analysieren. Die grobe Verfälschung der Wahrheit wäre in der Außendarstellung ja kein Problem, das Verhängnis beginnt, wenn man anfängt, die meist frei erfundenen Bad Beat Stories selbst zu glauben. Ich kenne Spieler, die sind so überzeugt davon am Turn die Nuts gehabt zu haben und maximal gegen zwei Outs zu spielen, die würden jeden Lügendetektortest des FBIs mit Bravour bestehen.

Respekt vor den betrügerischen Talenten der Gegner

schrageFernsehen verblödet bekanntlich. Serien, schlechte Krimis und dumme Filme zu konsumieren, ersetzt keine gute Ausbildung. Im wirklichen Leben wird man einfach betrogen. Ohne Vorwarnung, ohne spannende Musik und ohne Erzählonkel aus dem „off“. Die Bösen sind oft freundlich und zuvorkommend, haben weder stechenden Blick noch Anton Chigurh-Frisuren. Jeder Porno kann zumindest als Dokumentarfilm des faktisch möglichen zur sexuellen Fortbildung verwendet werden (wozu auch sonst?), der Konsum von realitätsfernen Kriminalserien bleibt komplett sinnfrei. Ganz im Gegenteil, besagte Sinne werden so weit verwirrt, dass man sich als Vielfernseher schnell mal für einen Experten für praktisch alles hält, während einem beim Laufen die Schnürsenkel gestohlen werden (und die Kreditkarte nebenbei auch). Wenn Sie also des Öfteren in einer privaten Runde spielen, wo Sie eigentlich niemand wirklich kennen und trotzdem alle besonders freundlich und aufmerksam sind, sollten Sie nochmals über Ihre „Table Selection“ nachdenken. Spätestens, wenn man Ihren Bad Beat Stories freiwillig zuhört und Ihnen zugesteht, der unglücklichste Spieler aller Zeiten zu sein, dessen unzweifelhaftes Talent nur vom bösen Schicksal zertrümmert wird, wird es Zeit, von dannen zu ziehen. Das gilt auch dann, wenn Sie am besagten Abend der Erkenntnis tief im Brand sein sollten. Die Idee, jetzt gewinne ich mal meinen Verlust zurück und dann spiele ich nie wieder mit diesen Betrügern, ist wohl zum Scheitern verurteilt. Ganz vielleicht – und ausdrücklich ohne jedes Gewähr – könnte folgende Bemerkung hilfreich sein: „Das nächste Mal bringe ich wirklich Kohle mit. Ich habe ja massiv geerbt. Außer ich verliere heute schon wieder, dann gehe ich ins Kloster und das Geld spende ich der Kirche“. Sollten Sie dann auf wundersame Weise mit einem kleinen Plus aufstehen, lassen Sie sich bloß nicht dazu verführen, nochmals wiederzukommen. Sie haben einfach Betrüger betrogen, beziehungsweise eigentlich nur belogen, das darf man seit dem vierzehnten vatikanischen Konzil (hat mir zumindest jemand im Cafehaus erzählt).

Respekt vor Gewalt (unmittelbarer und langfristiger)

Und dann sagte der sonst so freundliche Mazedonier plötzlich: „Ein Anruf und die Dunkelheit wird dich verschlucken.“ Diese durchaus poetische Drohung war mir neu. Inzwischen technisch entsprechend hochgerüstet, konnte ich gleich Google und mein Smartphone befragen. Leider doch kein amüsantes Filmzitat mit 127.000 Treffern und somit möglicherweise eine originäre – und vor allen Dingen – tatsächliche Drohung. Den Rest des Abends blieb ich dann höflich. Man weiß ja nie. Generell nehme ich wüste Worte am Pokertisch durchaus entspannt zur Kenntnis. Alles, was mit: „Ich geh gleich ins Auto und hole……“ beginnt, kann man gleich einmal ignorieren. Der erhitzte Spieler im Brand hat einfach keine Zeit zum Auto zu gehen, um den „Baseballschläger“ oder was auch immer zu holen. Keine Hand will versäumt werden. Langfristige Ansagen a la: „Und dann kommt irgendwann von irgendwo das Messer am Parkplatz und du kennst dich nicht mehr aus“ sind ebenfalls wenig beängstigend. „Irgendwann von irgendwo“ hört sich mehr nach einer Howard Carpendale Nummer an und was will man sich vor jemandem fürchten, der gerade seinen Rücktritt vom Rücktritt vom Rücktritt feiert, beziehungsweise feiern lässt. Einmal saß ich neben einem massiv durchgeknallten Zuhälter. Allgemein als gewalttätig, brutal und vor allen Dingen eitel bekannt in der Szene. Besagte Eitelkeit führten den stets braungebrannten Jungen in schöner Regelmäßigkeit zum Schönheitschirurgen seines Vertrauens. Fettabsaugen im Zehnerblock quasi. Jedenfalls hatten wir einen kleinen Disput. Nach erfolgreicher Operation, beflügelt von Narkotika, Koks und diversen harten Getränken, saß besagter Zuhälter sicher schon an die 24 Stunden am Tisch. Da ist abruptes Aufstehen definitiv nicht zu empfehlen. Auch böse Menschen haben Kreislauf und eben dieser streikte für einen dankenswerten Moment. Nachdem die Vitalfunktionen wieder einigermaßen hergestellt waren, wurde selbstverständlich weiter gezockt: „Langer ich prügel dich windelweich“ und dann der beruhigende Zusatz: „sobald der Verband herunten ist“. Bis dahin hatten wir uns dann versöhnt, weil wirklich dumm bin ich auch nicht.

Respekt vor der Spielstärke des Gegners

Um alles kann ich mich auch nicht kümmern. Genug des Respektes im Allgemeinen und im Speziellen. Für die wirklich wichtigen Dinge sind Sie bei den geschätzten Kollegen von Hochgepokert bestens aufgehoben. Ich kümmere mich auch weiterhin um die spannenden Nebensächlichkeiten.

In diesem Sinne ein erfolgreiches und fröhliches Casinojahr 2016 – Götz Schrage
Autor: Götz Schrage

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