

Profis leihen sich gegenseitig Geld. Die wohl unspektakulärste Variante. Oft geht es nur darum, die böse Form der Nacht ein wenig gerade zu biegen und wer schleppt schon gerne seine ganze Bankroll mit sich rum. So gesehen, nichts anderes als eine imaginäre Kreditkarte, nur ohne Zinsen und Reisegepäckversicherung. Da fällt mir eine schöne Geschichte aus der guten alten Pokerzeit ein. Einer der ersten ausländischen Pros, die sich zu Beginn der 90er Jahre ins paradiesische Wien aufmachte – nennen wir ihn Jack – hatte eine furchtbare Seuche und den berühmten Hang zu schnellen Frauen und langsamen Pferden. Zwar war er ein bärenstarker Spieler, aber trotzdem broke. So unglaublich das auch klingen mag, ich gehörte damals zu den erfolgreichsten Berufsspielern im unschuldigen Wien und wir kannten uns alle und halfen uns, wo es notwendig war. Im dem Fall hatte eben besagter „Jack“ unsere Hilfe nötig, und so legten wir zusammen. Jeder gab so im Schnitt 1.500 Euro und mit geschätzten 9.000 Euro Startkapital sollte sich „Jack“ wieder neu aufbauen. Die einzige Bedingung war, er sollte es woanders tun, eben weil er ein sehr starker Spieler war und uns mit dem geliehenen Geld nicht im Weg stehen sollte. Der Rest ist schnell erzählt. „Jack“ startete seine Comeback-Tour in Salzburg, weiter ging es nach Barcelona und London. Irgendwann stand er dann, wie erwartet, im Wiener Concord Card Casino wieder an der Bar. Braungebrannt, die Taschen gut gefüllt und jeder bekam sein Geld zurück und wenn ich an die vielen Drinks dieser Nacht zurückdenke, brummt mir noch heute der Schädel.

Schlechte Spieler leihen sich von schlechten Spielern Geld. Zur Erläuterung, schlechte Spieler nehmen andere schlechte Spieler anders wahr. Ähnlich dem eitlen Riesenassel Männchen, das sich von so manchem Riesenassel Weibchen umschwärmen lässt, hat auch noch der dümmste chronische Geldvernichter seinen Fanboy. Zumindest solange er halbwegs hohe Limits spielt und danach noch Zeit für das gemeinsame Jammern an der Casinobar bleibt. Und obwohl diese Kolumne doch eher den Cash Game Spielern gewidmet ist, sei an dieser Stelle erwähnt, dass genau dieser Spielertyp bei Turnieren nach immer mehr Startchips und längeren Levelzeiten verlangt. Statt auf den Glücksfaktor als einzig möglichen Verbündeten zu hoffen, setzt man auf nicht vorhandene Skills und hat dann wieder genug Zeit an der Bar. Doch zurück zur temporären Bargeldlosigkeit. Das kommt in den besten Kreisen vor und wozu hat man schließlich seinen Fanboy. Als Mitspieler merkt man sofort, dass etwas anders ist als sonst. Ab dem Moment, wo der Fan in sein Idol investiert, wackelt der Sockel gefährlich. Der ehrfurchtsvolle Respektabstand weicht einer sonderbaren Distanzlosigkeit. Statt einen Meter dahinter – wie es sich für einen ordentlichen Kiebitz gehört – sitzt der frisch gebackene Investor quasi fast auf dem Schoß seines Partners. Spätestens dann kennt man die ganz Story. Die beiden spielen zumindest für die heutige Session auf gemeinsame Kasse, allerdings zur Gänze vorfinanziert vom Fanboy. Kein Wunder, dass er am liebsten mitten am Tisch sitzen würde, um die Hände fachmännisch und live vor Ort zu analysieren.
Der Schnorrer leiht sich Geld. Kommt in den besten Casinos vor. Bitte niemals vergessen, dass auch diese Spezies Teil der großen Schöpfung ist und entsprechend geachtet und respektiert werden sollte. Nach Einbruch der Abenddämmerung ist sie oft im Schatten der einarmigen Banditen anzutreffen. Rotierende Walzen, goldene Sterne und bunte Früchte scheinen auf sie eine unwiderstehliche Anziehungskraft auszuüben. Bitte überlassen Sie die Fütterung romantischen Hobbysoziologen wie mir. Es braucht viel Erfahrung, Fachwissen und einiges an Kapitalreserven, um mit dem gemeinen Schnorrer richtig umzugehen. Ganz zu schweigen vom äußerst gefährlichen Königsschnorrer, der zwar lange Zeit als ausgestorben galt, jedoch kürzlich mehrfach gesichtet wurde, wie auch äußerst seriöse Floormänner bestätigen können. Am Anfang steht immer die Story. Warum, wieso und aus welchen Gründen dringender Finanzbedarf besteht und warum ausgerechnet Sie (und nur Sie!) helfen können. Die Geschichten sind oft so hanebüchen und abstrus und genau das macht sie in gewisser Weise auch so gefährlich. Es stellt sich dieses „Wer-kann-sich-so-etwas-schon-ausdenken-Gefühl“ ein und schon hat man so gut wie verloren. An dieser Stelle mein Tipp, zahlen Sie unmittelbar und sofort. Diskutieren Sie nicht, fragen Sie bitte auf keinen Fall nach und versuchen Sie schnell und billig aus der Sache rauszukommen. Mit einem rasch gezückten Hunderteuroschein können Sie sich Ihre Freiheit zurückkaufen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass es jemals den Versuch einer Rückzahlung geben sollte, müssen Sie sich rasch verstecken. Beim nächsten Mal kämen Sie bei weitem nicht so billig davon und abgesehen davon, hätten Sie die Bürde des (einmalig) korrekt abgewickelten Geldgeschäftes hinter sich. Ungeahnte Dimensionen stürzen dann wohlmöglich auf Sie ein. Deswegen mein wiederholter Tipp, so wenig wie möglich zahlen und dann so schnell wie möglich das Weite suchen. Sollte Ihr Zahlungswille von eigener scheintechnischer Schwäche gebremst werden, dann suchen Sie sich einfach den nächsten Geldverleiher, aber erwähnen Sie bitte keinesfalls meinen Namen. Dankeschön.
Euer Götz Schrage







