
- KI-Skandal erschüttert WSOP-Doku: Produzent Dustin Ianotti verwendete künstliche Intelligenz, um zehn Sekunden gefälschte Alan-Keating-Zitate in «No Limit» einzubauen.
- Weitere Spieler betroffen: Alex Keating meldet sich mit eigenen Vorwürfen über «gefälschte Stimmen» und Bearbeitung ohne Kontext oder Einwilligung.
- Poker-Community empört: Spieler wie Georg Fagerbakke verurteilen die Manipulation scharf.
Die achtteilige WSOP-Dokumentarserie «No Limit» steht vor dem Finale unter massivem Beschuss. Produzent Dustin Ianotti räumte ein, künstliche Intelligenz verwendet zu haben, um Aussagen von High-Stakes-Spieler Alan Keating zu fabrizieren, und zwar ohne dessen Wissen oder Zustimmung. Der Skandal wirft grundlegende Fragen über die Integrität der von GGPoker finanzierten Produktion auf.
Keating selbst brachte den Stein ins Rollen, als er am Freitagabend auf Social Media auf Unstimmigkeiten in den Episoden 5 und 6 hinwies, die beide in der vergangenen Woche ausgestrahlt wurden. «Sie legen mir Worte in den Mund mit KI», schrieb der Poker-Star in mittlerweile gelöschten Tweets. Die Episoden zeigen Spieler bei der WSOP Paradise 2024, aber nicht alles, was Keating darin zu sagen scheint, hat er tatsächlich gesagt.
Zehn Sekunden, die alles verändern
Früh am Samstagmorgen sah sich Ianotti gezwungen, Stellung zu beziehen. In einer inzwischen gelöschten Antwort räumte er ein, KI-Technologie in zwei kurzen Sequenzen während der Postproduktion eingesetzt zu haben. «Insgesamt etwa zehn Sekunden über die 55 Minuten der Episoden 5 und 6 verteilt», präzisierte der Produzent. «Wir hätten Alan zu diesen redaktionellen Entscheidungen konsultieren sollen.»
Ianotti liess die KI Zitate generieren, die auf Themen basierten, welche Keating in Interviews angesprochen hatte. Diese wurden dann «synthetisiert», angeblich für «schnellere Szenenübergänge und narratives Tempo». Das Resultat: Aussagen, die Keating nie getätigt hat, aber in seiner Stimme zu hören sind.
Pikant ist eine Sequenz bei Minute 19:18 in Episode 5. Dort erklärt Keating: «Ich mag es, Leute in schwierige Situationen zu bringen und ihren Willen zu testen.» Laut Ianotti wurde dieser Satz aus verschiedenen echten Zitaten zusammengesetzt, darunter «Ich denke, Cash Games sind ein grösserer Test als Turniere.» Eine zweite Fälschung findet sich in Episode 6 bei Minute 23:00: «Ist es vorbei? Kann ich jetzt ein Cash Game spielen?».
Weitere Opfer melden sich
Was zunächst als Einzelfall dargestellt wurde, könnte nur die Spitze des Eisbergs sein. Alex Keating, ein weiterer in der Serie vorgestellter Spieler, erhob am Wochenende schwere Vorwürfe. Die Dokumentation habe eine «gefälschte Stimme» hinzugefügt und Szenen «ohne Kontext» neu geschnitten, schrieb er. «Ich habe dem nie zugestimmt. Ich möchte nicht mehr Teil davon sein und erteile keine Zustimmung für Voice-Over und geschnittene Bearbeitung.»
Ianotti bestritt zwar, KI bei anderen Spielern verwendet zu haben, und bezeichnete die Keating-Vorfälle als «Versehen». Doch Alex Keatings Aussagen werfen Zweifel an dieser Darstellung auf und lassen die Frage offen: Wie viele Spieler wurden ohne ihr Wissen manipuliert?
Vertrauensverlust mit Ansage
Die Reaktionen aus der Poker-Community fielen vernichtend aus. Alan Keating selbst kommentierte Ianottis Entschuldigung mit eisiger Kürze: «Das verdient keine Antwort und du weisst warum.» Der norwegische Profi Georg Fagerbakke nannte den Vorfall «empörend» und stellte klar: «Du kannst so tun, als würde es die Integrität der Produktion nicht infrage stellen, aber meiner Meinung nach tut es das absolut.»
Besonders bitter für Ianotti: Der Produzent hatte hohe Ansprüche an sein Projekt formuliert. «Würdig eurer Zeit. Würdig ihrer Geschichten. Würdig dieses Spiels», versprach er im Vorfeld. Sein Studio Artisans on Fire ist Emmy-prämiert. Seine Social-Media-Bio lautet: «Making poker bingeable. Telling stories that match the stakes.» Die Ironie: Ausgerechnet beim Erzählen dieser Geschichten griff er zu Mitteln, die jede journalistische Ethik untergraben.
Die Dokumentation wurde über zwanzig 16-Stunden-Tage gedreht, wobei ein «besessenes Team» 700 Stunden Material produzierte. Doch all diese Arbeit droht nun durch zehn Sekunden KI-generierten Betrugs entwertet zu werden.
GGPoker schweigt
Bislang hat sich GGPoker, das die Serie finanziert, nicht öffentlich zu dem Skandal geäussert. Die neuen WSOP-Besitzer stehen vor einem Dilemma: Distanzieren sie sich von der Produktion, riskieren sie, dass die letzten beiden noch ausstehenden Episoden in der Bedeutungslosigkeit versinken. Stellen sie sich hinter Ianotti, beschädigen sie ihre eigene Glaubwürdigkeit in einer Community, die bereits skeptisch gegenüber der Übernahme war.
Die finalen zwei Episoden sollen diese Woche ausgestrahlt werden, jetzt unter denkbar schlechtesten Vorzeichen. Jede Aussage, jedes Zitat wird nun mit Argwohn betrachtet werden. Hat dieser Spieler das wirklich gesagt? Wurde auch hier nachgeholfen?







