Akte Eddy Scharf: Stellungnahme von Anwalt Dr. Robert Kazemi

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Die Causa Eddy Scharf wird in der Pokerszene in Deutschland genau beobachtet. Bekannte Pokerspieler, wie Team PokerStars Pro Michael Keiner, stehen dem ehemaligen Full Tilt Pro bei.

Im Oktober 2012 folgte das Urteil – Scharf muss auf seine Pokergewinne Steuer zahlen. Die Begründung des Gerichts treibt allerdings  RA Axel Mittig „die Zornesröte ins Gesicht„.

Jetzt hat sich der Anwalt von Eddy Scharf über das Urteil und die Urteilsbegründung geäußert. Die komplette Bewertung findet ihr hier. Hochgepokert.com präsentiert einige Auszüge:

Problemstellung: In Pokerkreisen war lange auf eine erste Entscheidung in Sachen Steuerbarkeit von Pokergewinnen gewartet worden. Hunderte deutscher Pokerspieler sind seit Anfang 2009 verunsichert, waren die Finanzbehörden der Länder neben den Spielbanken, dem Fernsehen und der Werbeindustrie ebenfalls auf den Siegeszug des Pokerns weg von den Hinterzimmern der Illegalität, hin zu „sportlichen“ Großereignissen aufgesprungen und hatten seitdem die Pokerspieler (als vermeintliche Steuersünder) ins Visier genommen. Poker sollte fortan aus finanzrechtlicher Sicht nicht mehr als Glücksspiel, sondern als Geschicklichkeitsspiel gelten, aus deren Teilnahme sich steuerrelevante Gewinne erzielen lassen. Damit aber wichen die Finanzbehörden von der einhelligen Linie der deutschen Verwaltungs- und Strafrechtspraxis ab, die – auch heute noch – der Ansicht ist, dass das Pokerspiel ein Glücks- und kein Geschicklichkeitsspiel dar. Diese Einordnung teilten auch die Finanzämter über lange Jahre und ließen die Pokerspieler und ihr Gewinne unangetastet. Das Glück unterfällt nicht der Steuer, der Glückliche konnte seine Gewinne behalten. Was für Lotteriegewinne und andere klassische Casino-Spiele, wie Roulette und Black-Jack, weiterhin Geltung beansprucht, soll nunmehr für das Pokerspiel nicht mehr gelten: „Die Einkünfte des Klägers aus den Pokerturnieren sind als gewerbliche Einkünfte nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbar.“, so der Tenor der – nunmehr auch in den Entscheidungsgründen vorliegenden – Entscheidung des Finanzgerichtes Köln vom 31.10.2012.

A. Der Tatbestand des Urteils

Bereits der Tatbestand des Urteils des FG Köln wirft für den Unterzeichner zahlreiche Fragen auf und legt eine nur unzureichende Sachverhaltsaufklärung durch den erkennenden Senat nahe. So finden sich hier zahlreiche Feststellungen, die aus der Aktenlage nicht getroffen werden können. Obgleich das FG Köln einen entsprechenden Tatbestandsberichtigungsantrag bereits als unbegründet zurückgewiesen hat, seien daher an dieser Stelle einige Klarstellungen erlaubt und getroffen.

I. „Hendon Mob Poker Database“

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH hat das Gericht die Frage der Steuerbarkeit bestimmter Tätigkeiten „nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall“ zu beurteilen. Diese Prüfung setzt jedoch voraus, dass sämtliche das Gesamtbild prägenden Umstände im Tatbestand des Urteils zutreffend festgestellt werden (st. Rspr. z.B. BFH, Beschl. vom 17.07.2007 – II R 5/04, BeckRS 200725012371). Dies ist jedoch tatsächlich nicht der Fall, vielmehr zeigen sich schon im Rahmen der Tatbestandsaufbereitung zahlreiche Fehler, die sich in der eigentlichen Urteilsbegründung ungemindert fortsetzen.

So heißt es im Tatbestand, der Kläger selbst habe die sog. „Hendon Mob Poker Database“ (abrufbar unter: www.thehendonmob.com) zu Darlegung seiner Spieltätigkeit vorgelegt und hierauf Bezug genommen. Diese Annahme des Gerichts ist fehlerhaft. Zum einen wurde von dieser Seite aus, die betreffende Seite nicht in das Verfahren eingeführt, zum anderen fragt sich bereits, ob es sich bei der hier zu findenden Zusammenstellung tatsächlich um eine „offizielle Gewinnliste“ handelt, wie es von Seiten des beklagten Finanzamtes immer wieder vorgetragen worden war. Der Kläger selbst hatte dies stets bestritten und die Aussagekraft der Liste mehrfach in Frage gestellt. Die Zweifel an der „Hendon Mob Poker Database“ als Erkenntnisquelle werden vom erkennenden Senat gleichwohl nicht bzw. nur unzureichend berücksichtigt. Im hier vorliegenden Beschluss des Gerichts über den Tatbestandsberichtigungsantrag heißt es zwar insoweit:

„Dass der Kläger die Aussagekraft der Hendon Mob Datenbank angezweifelt hat, ergibt sich deutlich aus den Entscheidungsgründen, wo es auf Seite 17 am Ende des letzten Absatzes heißt: „Zwar hat der Kläger mehrfach die Aussagekraft der „Hendon Mob Poker Database“ angezweifelt und auf ihre Manipulierbarkeit hingewiesen. Er hat jedoch nie substantiiert bestritten, an den dort gelisteten Turnieren teilgenommen zu haben. Die Datenbank war Entscheidungsgrundlage des Beklagten und dauerndes Diskussionsthema im Einspruchs- und Klageverfahren. Der Kläger hat jedoch zu keinem Zeitpunkt abweichend davon Turniere benannt, an denen er teilgenommen bzw. nicht teilgenommen haben will. Erst in der mündlichen Verhandlung hat er behauptet, an manchen der gelisteten Turniere „nachweislich“ nicht teilgenommen zu haben.“ Das Gericht hat damit den Inhalt der Hendon Mob Datenbank entgegen der Ansicht des Klägers nicht als unstreitigen Vortrag behandelt.“

Bereits der Umstand, dass der erkennende Senat einen Halbsatz in den Urteilsgründen als maßgeblichen Anhaltspunkt einer umfassenden Sachverhaltswürdigung wertet, erscheint fragwürdig; die Aussagen dahingehend, der Kläger habe die „Manipulierbarkeit“ der Hendon Mob Datenbank nie substantiiert bestritten, ist schlicht unzutreffend. Auch die im Rahmen dieser Aussage immanent getroffene Feststellung, dass es sich bei den dem Beklagten vorliegenden Gewinnlisten um „offizielle“ und damit amtliche Listen  handelt, ist bereits dem Grunde nach falsch und unzutreffend. So war schriftsätzlich mehrfach vorgetragen worden, dass es sich bei der Hendon-Mob-Liste keinesfalls um eine „offizielle Gewinnliste“ handelt und es allgemein bekannt ist, dass es ein Leichtes ist, unbeteiligte Dritte, bspw. den Oberbürgermeister der Stadt Köln, mit einem nicht unbeträchtlichen Pokergewinn in diese Liste eintragen zu lassen; Eine Überprüfung dieser Meldungen findet nachweislich nicht statt. Der Oberbürgermeister der Stadt Köln wird wohl kaum als professioneller Pokerspieler einzustufen sein. Das von ihm angeblich mit dem 1. Platz abgeschlossene 300,00 Euro-No limit-Hold’em Pokerturnier, die Casino Kiel Open, in Kiel existiert nicht. Bereits dieses einfach gelagerte Beispiel zeigt eindeutig, dass es sich bei der durch den Beklagten (und das Gericht) als „offiziell“ eingestuften Gewinnliste keinesfalls um ein offizielles Dokument handelt, auf welches behördliche Ermittlungen auch nur im Ansatz gestützt werden können. Gleichwohl zweifelt das Gericht die Tauglichkeit der Datenbank als Entscheidungsgrundlage nicht an und hält – insoweit rechtsfehlerhaft – weitere Ermittlungen für nicht angezeigt.

II. Keine Nachforschung zu tatsächlichen Erfolgen

Weiterhin fehlerhaft sind die Feststellungen des Gerichtes zu den vermeintlichen Erfolgen des Klägers als Pokerspieler. Auch hier spielt die einseitige Betrachtung der „Hendon Mob Database“ eine nicht unerhebliche Rolle. Nachweislich fanden sich hier, wie auch im Tatbestand des Urteils des FG Köln, schon Turnierteilnahmen, die tatsächlich gar nicht stattgefunden haben. Dieser – auch schriftsätzlich vorgebrachte – Umstand, wird durch den erkennenden Senat in seinem Beschluss über den Tatbestandsberichtigungsantrag mit nachfolgender Aussage gewürdigt:

„Ob der Kläger auch an einem Turnier in Schweden teilgenommen hat, ob vor ihm bereits ein anderer Deutscher Turniere der WSOP gewonnen hat und wann die WSOP zur wichtigsten Wettkampfserie geworden ist, war für die Entscheidung des Senats angesichts der Vielzahl der vom Kläger besuchten Turniere und seiner Erfolge nicht erheblich.“

Weiter heißt es:

„Ob der Kläger ein Turnier in Cardiff gewonnen hat oder nur eine Vorrunde dieses Turniers war bei der Entscheidung des Senats angesichts der Vielzahl der erfolgreichen Turnierteilnahmen des Klägers nicht entscheidungserheblich.“

Und weiter:

„Soweit der Kläger darauf hinweist, dass es das Turnier in Maidstone nur einmal gebe und er entgegen den Ausführungen auf Seite 3 f. des Tatbestands daran nicht zweimal in einem Jahr teilgenommen haben könne, ist dies richtig. Die Unrichtigkeit im Tatbestand ist jedoch nicht entscheidungserheblich. Sie beruht auf der Darstellung des Inhalts der Hendon Mob Datenbank […]“

Das Gericht spricht hier – wie auch in den Urteilsgründen – vermehrt von den „Erfolgen“ des Klägers und/oder seinen „erfolgreichen“ Turnierteilnahmen. Die erkannten offensichtlichen Unrichtigkeiten sollen dabei „für die Entscheidungsfindung“ des Gerichts keine Rolle gespielt haben. Doch wie kann dies sein?

III. Bewertung

Der Tatbestand des Urteils des FG Köln in der Rechtssache „Eddy Scharf“ zeigt damit erhebliche Unsauberkeiten und belegt das – auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu Tage getretene – Desinteresse des erkennenden Senats sowohl am konkret zu entscheidenden Sachverhalt, als auch an den dahinter stehenden materiellen Rechtsfragen, die – anders als es das Gericht ausführt – nicht nur für den Kläger dieses Verfahrens, sondern für alle Pokerspieler und den Glücksspielmarkt an sich von erheblicher Bedeutung sind.

C. Gesamtbetrachtung

Auch in der eingehenderen Betrachtung stellt sich das Urteil des FG Köln in der Causa Scharf daher als mit gravierenden Rechtsmängeln behaftet dar. Die zahlreichen – ins Blaue hinein – getroffenen Feststellungen des Gerichts, das ganz offensichtlich nicht über eigene Sachkenntnis in Bezug auf das Pokerspiel verfügt, deuten auf eine mangelhafte bzw. fehlerhafte Sachverhaltsermittlung hin. Dies wird es dem Bundesfinanzhof hoffentlich leicht machen, das Urteil auf die Revision hin zu korrigieren. Poker ist Glückspiel, ganz gleich wer es spielt. So ist es manchmal (leider) auch vor Gericht. Solange und soweit der Gesetzgeber die Kehrtwende des Pokers vom Glücks- zum Geschicklichkeitsspiel jedoch nicht vollzogen und die Literatur diese auch nicht mit letzter Sicherheit belegt hat, muss Poker daher auch unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten als Glücksspiel qualifiziert werden.

Dr. Robert Kazemi

Solltet ihr Fragen haben, könnt ihr euch hier an Dr. Robert Kazemi wenden. 

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