Eine Hand zwei Meinungen – Erich Kollmann vs. Matthias Kurtz!

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Erich Kollmann (AUT)

„Poker nach Lehrbuch“ ist ein geflügeltes Wort. Wieso spielen Profis Hände dennoch so unterschiedlich? Um Einblick in die Denkweise des Profis zu bekommen, haben wir zwei Pros mit der gleichen Konstellation konfrontiert. Dass die verschiedenen Poker-Spieler die Hände zum Teil sehr unterschiedlich spielen, beweisen wir wieder einmal in unserer Rubrik „Eine Hand – zwei Meinungen“. Wir befragten mit Matthias Kurtz und Erich Kollmann zwei bekannte Poker-Profis der Poker-Szene.Handanalyse der Pros

Eine Hand – zwei Meinungen

Handbeschreibung:
Diese Hand spielte sich beim ersten EPIC Event (Buy-In $20.000) in Las Vegas ab. Bei noch fünf verbleibenden Spielern war Erik Seidel (USA) mit 1.314.000 Dritter in Chips. Sein Gegner Chino Rheem (USA) hatte mit 2.119.000 den Chiplead. Die Blinds waren 15.000/30.000 Ante 5.000. Average Stack: 1.368.000. Die beiden Shortstacks am Tisch hielten 940.000 und 715.000. Das Preisgeld für Platz Eins war $1.000.000.

Erik Seidel (USA) Cut-Off mit 7d 5c

Chino Rheem (USA) Button mit Qh Td

Erik eröffnete den Pot mit einem Raise auf 70.000, das Chino vom Button callte. Potsize: 205.000

Flop: Ac Ah Kd

Erik setzte 105.000 und Chino bezahlte. Potsize: 415.000

Turn: 7s

Erik bettete 180.000 und Chino erhöhte daraufhin auf 405.000. Erik machte den Call. Potsize 1.225.000.

River: 4d

Erik checkte und Chino setzte ihn All-In. Erik hatte noch 729.000 und callte nach langem Überlegen.

Hier ist ein kurzes Video zu der Hand:

 

Meinung Erich Kollmann:

Erich Kollmann (AUT)
Erich Kollmann (AUT)

Ich bin mir sicher, dass diese Hand eine Vorgeschichte hat und sich die beiden Spieler sehr genau kennen. Zunächst einmal finde ich es äußerst fragwürdig mit 75o den Pot zu eröffnen, besonders dann, wenn so starke Spieler wie Chino hinter einem sitzen. Eigentlich sollte man es vermeiden out of Position gegen einen solchen Gegner zu spielen. Aber vielleicht wollte Erik gerade deshalb eine sehr starke Hand repräsentieren.

Bis zum Turn hat er die Hand dann auch ganz ok gespielt, aber um das Raise auf dem Turn zu callen, muss man schon einen sehr guten Read auf seinen Gegner haben. Ich hätte die Hand spätestens am Turn aufgegeben, denn alles was er jetzt noch schlagen kann ist ein Bluff.

Er bringt sich damit in eine sehr schwierige Situation und verliert die Kontrolle über die Hand. Gegen Chino out of Position zu spielen und zu bestehen ist sicher kein einfaches Unterfangen.

Der Call am River fällt dann ganz klar unter die Rubrik Hero Call, und ich halte von solchen Hero Calls rein gar nichts, da das meistens ordentlich nach hinten losgeht und man zu 90% mit leeren Händen dasteht. Aber wie gesagt, die beiden kennen sich bestimmt sehr gut und vielleicht hatte Erik wirklich einen perfekten Read.

Für mich persönlich war diese Hand von Anfang an nicht gut gespielt, trotzdem hat Erik zum Schluss die richtige Entscheidung getroffen. Eigentlich steht es mir auch nicht zu einen Erik Seidel zu kritisieren, seine Erfolge sprechen für sich. Nichtsdestotrotz würde ich mir bessere Situationen aussuchen, um gegen einen solchen Topspieler anzutreten, aber gerade dieses Beispiel zeigt, dass sich beim Poker immer neue und interessante Situationen ergeben. Man lernt nie aus und muss permanent an seinem Spiel arbeiten, um mit dieser Entwicklung Schritt halten zu können.

 

Meinung Matthias Kurtz:

Matthias Kurtz (GER)
Matthias Kurtz (GER)

Eine sehr interessante Hand, bei der halt nicht Asse auf Könige treffen, sondern jemand einen guten Riecher hat und einen auf den ersten Blick spektakulären Call macht, der bei genauerem Hinsehen aber durchaus Sinn macht.

Erik Seidel eröffnet den Pot mit einer sehr mittelmäßigen Hand und Chino Rheem entscheidet sich mit QTo am Button für einen Call.

Der Flop kommt AAK Rainbow. Erik setzt nun ca. halben Pot und wird von Chino gecallt. Seidel ist hier förmlich dazu gezwungen zu setzen, da er den Showdown mit 7 hoch kaum gewinnen wird. Der Flop ist sowieso perfekt für eine Continuation Bet. Natürlich weiß das Chino auch und entscheidet sich den Einsatz zu bezahlen. Er hat wohl den Plan den Pot auf Turn oder River zu gewinnen. Dass er zusätzlich noch einen Bauchschuss hat ist umso besser für ihn. Außerdem ist Dame hoch hier manchmal sogar noch die beste Hand.

Am Turn trifft Erik mit der 7 ein Paar und setzt etwas weniger als halben Pot. Ihm ist bewusst, dass Chino am Turn wohl weder ein Ass noch einen König folden wird, aber dennoch hält er einen Einsatz langfristig für profitabel, da am Turn jetzt viele Hände wie mittlere Pocketpaare und QJ, QT, JT meist folden. Nun macht Chino den meiner Meinung nach entscheidenen Fehler in der Hand, indem er den Turn raist, obwohl er Position hat.

Gegen einen schlechteren Spieler, der einfach nur seine Karten spielt, hat Erik jetzt einen klaren Fold, da diese Art von Spielern hier meist drei Asse oder besser haben. Aber gegen einen starken Spieler wie Chino, der letzten Endes immer versucht den Profit seiner Hand zu maximieren, wird die gleiche Situation schon fast wieder zu einem easy Call. Warum?

Die beiden sind vor der Hand effektiv 1,3 Millionen Chips deep. Erik setzt am Turn 180.000 in einen 400.000 Chips großen Pot, und hat noch etwa eine Million dahinter. Sollte Chino jetzt wirklich eine starke Hand haben, dann beginnt er natürlich zu überlegen wie er das Maximum aus der Hand herausholen kann, sprich wie er alle Chips von Seidel bekommt. Man muss dabei auch bedenken, dass er Position und die Option hat den River zu setzen oder zu raisen, sollte Erik setzen. Mit einer wirklich starken Hand wird Rheem auf dem Turn in den meisten Fällen nur callen, da er dadurch problemlos einen großen Pot aufbauen kann, sei es indem er Seidel auf dem River raist oder selber setzt, wenn dieser checkt.

Darüber hinaus besteht ja auch noch die Möglichkeit, dass Seidel blufft und in diesem Fall will ihn Rheem natürlich noch ein weiteres Mal bluffen lassen. Raist Rheem den Turn, dann kriegt er nur noch Action von guten Händen, da Seidel wohl all seine Bluffs aufgibt.

Außerdem ist es auch verdammt schwer auf einem AAK74 Board eine sinnvolle Hand zu repräsentieren, wenn man vor dem Flop nur gecallt hat. Da bleiben eigentlich nur AA, KK und AK, mit denen Rheem vor dem Flop nur gecallt haben könnte, um eine Falle zu stellen.

Rheem wird in dieser Situation mit einer sehr starken Hand also fast immer nur callen. Im Umkehrschluss lässt ein Raise einen Bluff vermuten.

Die 4 auf dem River ist eine Blank und ändert nichts. Seidel entscheidet sich zu bezahlen und seiner bereits am Turn getroffen Entscheidung zu vertrauen und streicht dadurch den Pot ein. Das schreibt sich hier natürlich alles wahnsinnig leicht. Viele Entscheidungen werden aber wesentlich schwieriger, wenn man selbst am Tisch sitzt und es zudem noch um eine Million Dollar geht. Hut ab für einen großartigen Call!

Autoren: Erich Kollmann, Matthias Kurtz

 

 

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