Schach-WM: Erst Hose aus, dann Hose wieder an für Magnus Carlsen, dann doch lieber Poker!

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Magnus Carlsen (NOR)

Wenn das neue Jahr anbricht, bedeutet das auch immer, dass zwei neue oder alte Schachweltmeister und zwei Schachweltmeisterinnen bei den World Rapid & Blitz Chess Championships gekürt werden (also normalerweise 4 im Ganzen). Dabei gewinnt in der Regel Magnus Carlsen, der von seinen 17 Weltmeistertiteln allein 5 im Rapid und 8 im Blitz Chess gewonnen hat (plus 1 im Team). Wie ihr auf hochgepokert lesen konntet, kam er als Doppelweltmeister sowohl als der Titelverteidiger zur Schnellschach WM als auch zur Blitzschach WM. Doch bei der aktuellen Ausgabe an der New Yorker Wall Street sollte alles etwas anders werden… warum und welche Hose eine Rolle dabei gespielt hat, könnt ihr hier erfahren.

Rapid & Blitz Chess World Championships Trophies

Schnellschach WM – alle zu schlecht gekleidet?

Dass die Uhren nicht überall gleich schnell ticken, kennen Pokerspieler zu Genüge. Musste man sich vor einigen Jahren in deutschen Spielbanken quasi mit Krawatte und Anzug noch verkleiden, um zwischen dem gewohnten Klientel an Rouletterad & Co Zugang zu den Pokertischen gewährt zu bekommen, haben inzwischen auch deutsche Casinos die Zeichen der Zeit erkannt.

Auf diesem Stand sind die Veranstalter von großen Schachturnieren wie den Weltmeisterschaften ganz offensichtlich noch nicht. Im letzten Jahr war es Anna-Maja Kazarian, die aufgefordert wurde, ihre Burberry Sneakers zu wechseln, um weiter bei den Weltmeisterschaften an den Brettern zugelassen zu sein. – Schließlich gibt es von Seiten der FIDE sogar einen bebilderten 10-seitigen Dresscode-Leitfaden, in dem Dos und Don’ts penibel aufgeführt sind.

In diesem Jahr war es Fan Favorite und WM-Herausforderer des Jahres 2021 Ian „Nepo“ Nepomniachtchi, der eine Verwarnung und Strafe wegen zu sportlicher Schuhe bekam und sich umziehen musste.

Und auch der Superstar der Szene, Magnus Carlsen, sollte nicht vor der Modekritik der Arbiter (der Schiedsrichter beim Schach) verschont bleiben. Wie immer kam Carlsen sehr zeitnah (auch beim meist nur minutenlangen Schnell- und auch Blitzschnach häufig verspätet) an die Bretter. Dabei hatte er extra noch im Hotel die Schuhe gewechselt, um dem Anlass entsprechend gekleidet zu sein. – Dass seine Jeans-Hose dabei zu casual sein sollte, kam ihm gar nicht in den Sinn. Das fand allerdings der zuständige Arbiter schon und forderte ihn nach Spiel 6 auf, die Hose zu wechseln. Carlsen entgegnete, dass er spätestens zum Finaltag die Hose wechseln werde. Als Carlsen dann nach anderthalb Stunden in derselben Jeans-Hose zu Match Nr. 9 dann allerdings endgültig nicht mehr zum Spiel zugelassen wurde, eskalierte die Situation…

Carlsen vs FIDE – 0:1

Magnus Carlsen liegt nicht erst seit seiner Niederlegung des klassischen WM-Titels mit der FIDE (dem Weltschachverband) im Clinch. Die Strukturen dort hält er für zu eingefahren, und die Wettkämpfe deshalb auch für einfach zu langweilig. Mit seinem eigenen Brand PlayMagnus und der eigenen Turnierserie „Freestyle Chess“ im Fischer Random Chess (benannt nach Erfinder Bobby Fischer) ist der Pokerbotschafter Nr. 1 inzwischen nicht nur Zugpferd, sondern auch Hauptkonkurrent der FIDE. Da kann es schon einmal sein, dass Magnus Carlsen im Guten oder eben auch im Schlechten eine Sonderbehandlung erfährt. Hier gab es in dem Fall die Entscheidung, dass er mit Jeans bekleidet nicht mehr an die Bretter durfte.

Carlsens Interview mit Gotham Chess

Im Interview mit Levy Rozman, aka „Gotham Chess“, dem größten Chess Influencer der Welt, gibt Magnus Carlsen nur wenige Sekunden nach der Disqualifikation zu Protokoll, was er von der Entscheidung hält: „Fuck you!“, ist die sehr direkte und unverblümte Message Richtung FIDE. Außerdem teilt er mit, dass er sofort in den Flieger steigen werde und irgendwohin fliege, wo es wärmer als im New Yorker Winter ist. Damit verzichte er nicht nur auf Tag 2 (nach 5 Punkten aus 8 Partien) der Rapid Chess World Championship, sondern auch auf die Blitz World Championship am Tag drauf. – Ebenso nennt Magnus Carlsen das Good-Cop/Bad-Cop-Spiel der FIDE bei den Namen, um Magnus-Kritiker FIDE CEO Emil Sutovsky und Magnus-Freund FIDE Präsident Arkadi Dworkowitsch. Letzterer hatte während der ausgesprochenen Disqualifikation gegenüber Carlsen gerade geschlafen.

Das Interview zwischen Magnus Carlsen und Levy Rozman ist auf jeden Fall sehenswert:

Schnellschach Weltmeisterschaft – Ergebnis

Magnus Carlsen

Schach wurde bei den Rapid Chess World Championships übrigens auch noch gespielt, auch wenn das Drama medial überwog. Mit dem Turnieraus von Magnus Carlsen stand der Titel seit langem einmal wieder anderen Schach-Großmeistern offen. Hier war ein russisches Trio zur Stelle: Volodar Murzin gewann mit 10 Punkten (aus 13 Partien) vor seinen Landsleuten mit jeweils 9,5 Punkten, Alexander Grischuk und Ian Nepomniachtchi. Letzterer musste weiter vergebens auf seinen ersten Weltmeistertitel warten, an dem er mit etlichen zweiten und dritten Plätzen bereits so nah war, wie kein anderer aktiver Spieler. Aus der D-A-CH-Region war der Deutsche Mathias Blübaum mit 7,5 Punkten auf Rang 50 bester deutschsprachiger der 180 WM-Teilnehmer, was allerdings immer noch außerhalb der 40 Preisgeldränge des $550.000 Preispools lag. Magnus Carlsen wurde mit 5 aufgegebenen Partien am Ende auf Rang 148 geführt.

Das Rapid Chess World Championship Podium: (v.l.n.r.) Alexander Grischuk, Volodar Murzin, Ian Nepomniachtchi

Bei der ebenfalls an Ort und Stelle ausgespielten Frauen WM im Schnellschach sah es aus D-A-CH-Sicht etwas besser aus: 6. ($15.000) wurde Alexandra Kosteniuk aus der Schweiz.

Alexandra Kosteniuk (SUI)

Auf Rang 15 ($1.800) landete die IM Dinara Wagner mit 7 Punkten aus 11 Partien und ein Rang vor ihr als 14. ($1.800) mit 7-aus-11 klassierte sich die GM Elisabeth Pähtz, die deutschlandweit einem großen Publikum gegenüber Berühmtheit erlangte, als sie als 14. in „Darüber lacht die Welt“ Hape Kerkeling als Souffleuse mit den gewinnbringenden Zügen zum Simultan-Erfolg über die Schachmannschaft vom FC Bayern München verhalf.

Elisabeth Pähtz (GER)

Den Schnellschach Weltmeistertitel der Frauen ging im Cpriani an der New Yorker Wall Street an Humpy Koneru, vor Wenjun Hu und Kateryna Lagno.

Das Rapid Chess World Championship Podium: (v.l.n.r.) Ju Wenjun, Humpy Koneru, Kateryna Lagno

Blitzschach WM – doch mit Carlsen und Hose

Als ob es das Rapid Chess WM-Turnier dramaturgisch noch nicht genug gewesen wäre, ging es am dritten Tag der WM im noch schnelleren Blitzschach mit dem Theater um die Kleidung von Magnus Carlsen und nicht zuletzt der Frage, wer denn jetzt Weltmeister wird, direkt weiter. Und zwar MIT Magnus Carlsen! Der hatte doch nicht den Flieger Richtung Süden bestiegen, sondern anscheinend das Gespräch mit FIDE Präsident Arkadi Dworkowitsch gesucht oder angenommen, und gemeinsam hatte man sich darauf geeinigt, dass Magnus Carlsen bei der Blitz-Weltmeisterschaft spielt … und zwar in Jeans!

Wenjun Ju & Tingjie Lei / Magnus Carlsen & Ian Nepomniachtchi

Carlsen vs FIDE – 1:1

Damit das ohne Intervention der Arbiter vonstatten gehen konnte, musste das Reglement geändert werden, was dann auch getan wurde. Aufgenommen wurde sozusagen einen Causa Carlsen, nach der nicht per se jede Jeans eine Strafe und in der Folge den Ausschluss mit sich bringt, sondern dass das von Jeans-zu-Jeans abhängig wäre. – Und die von Magnus Carlsen, war (jetzt auf einmal) in Ordnung, so dass Magnus Carlsen auf WM-Titeljagd Nr. 18 gehen konnte.

Damit konnte sich Magnus Carlsen auch beim Schach hinter den Kulissen durchsetzen und quasi mit der FIDE gleichziehen: 1-zu-1

Blitzschach WM – Turnierverlauf

Magnus Carlsen & Hans Niemann

Im Blitzschach gab es nicht ein maßgebliches Leaderboard nach 2 Tagen wie im Rapid Chess, sondern für die besten 8 der 188 Titelanwärter*innen aus aller Welt ein Play-Off, in dem in Viertel-, Halb- und Finale ein neuer, oder eben alter, Titelträger gekürt werden sollte. Mit Magnus Carlsen war der Titelverteidiger als 3 der Vorrunde in den Playoffs dabei, genauso wie Ian Nepomniachtchi als Erster der Vorrrunde oder der Erzfeind von Magnus Carlsen, Hans Niemann, als Sechster.

Da die Nr. 3 gegen die Nr. 6 im Viertelfinale ranmusste, kam es zum mit Spannung erwarteten Aufeinandertreffen von Magnus Carlsen und Hans Niemann. Beide hatten sich die letzten Jahre nicht an den Brettern gesehen, sondern nach den Betrugsvorwürfen gegenüber Niemann und dessen anschließender Klage, nur über ihre Anwälte kommuniziert. – Und in New York sah es durchaus nach einer Sensation aus als Niemann mit 1,5:0,5 in Führung ging.

Magnus Carlsen & Hans Niemann

Doch unter Druck spielt Magnus Carlsen anscheinend besonders gut (wenn man von noch mehr Druck in einem Blitzturnier sprechen kann). Der Norweger gewann die beiden nötigen Partien hintereinander und zog mit 2,5:1,5 ins Halbfinale ein.

Magnus Carlsen & Hans Niemann

Im Halbfinale traf er auf den Polen Jan-Krzysztof Duda, den er 3,0:0,0 besiegte. Nachdem Ian Nepomniachtchi das andere Halbfinale mit 3,0:2,0 gegen Wesley So aus den USA für sich entscheiden konnte, stand dem Traumfinale von „Nepo“ gegen Carlsen, einer Neueauflage der Weltmeisterschaft im klassischen Schach von 2021, nichts mehr im Wege.

Magnus Carlsen & Ian Nepomniachtchi

Die ersten 4 Partien fanden alle ohne Remis einen Sieger, wonach es 2,0:2,0 stand. Jetzt sollte nach den Regeln so lange weitergespielt werden, bis einer der beiden Finalisten eine Tiebreaker-Partie gewinnt. Die nächsten 3 Partien endeten jeweils Remis, womit es 3,5:3,5 stand. Nach Partie 7 fragte Magnus Carlsen Ian Nepomniachtchi, ob er sich mit ihm auch den Weltmeistertitel teilen würde, wenn das möglich wäre. Das war im Sinne des Russen. Und Carlsen gab ihm direkt mit auf den Weg, dass die beiden sich einfach in jeder weiteren Partie nach ein paar Zügen auf Remis einigen würden, sollte sich die FIDE querstellen.

Magnus Carlsen & Ian Nepomniachtchi

Carlsen wird Weltmeister – halb … oder doppelt

Doch zum Querstellen der FIDE kam es nicht, wahrscheinlich war das Drama-Kontingent schon lange ausgereizt, und so sprach der Präsident der FIDE, Arkadi Dworkowitsch, ein Machtwort, dass die beiden Finalisten zu geteilten Weltmeistern im Blitz-Schach machte, auch wenn das nicht den Regularien entsprach und das Turnier eigentlich hätte weiterlaufen müssen. Somit krönten sich beide zum Blitz Weltmeister, da dieser Fall jedoch in den Regeln nicht vorgesehen war, gab es dementsprechend auch nur eine Weltmeistertrophäe. Doch dafür finden die beiden bestimmt auch noch eine Lösung, vielleicht bekommt Nepomniachtchi sie immer in den ungeraden und Carlsen sie in den gerade Wochen.

Nicht gucken!!! Magnus Carlsen & Ian Nepomniachtchi

Auf jeden Fall sicherte sich Magnus Carlsen, der sich schon fast im Urlaub gewähnt hatte, Weltmeistertitel Nr. 18 (den 8. im Blitz) und Ian Nepomniachtchi hatte damit längst überfällig auch den Sprung vom ewigen Zweiten zum Weltmeister geschafft.

Magnus Carlsen & Ian Nepomniachtchi einigen sich auf den Even Deal

Auch bei der Entscheidung um den Titel der Frauen stand es nach den 4 gespielten Finalpartien unentschieden und auch die erste Tiebreaker-Partie endete ohne Siegerin. Doch dann setzte sich ganz ohne Sonderbehandlung Wenjun Ju im zweiten Tiebreaker-Match gegen Tingjie Lei durch und kürte sich damit zur Weltmeisterin.

Das Blitz Chess World Championship Podium: (v.l.n.r.) Lei Tingjie, Ju Wenjun, Kateryna Lagno, Vaishali Rameshbabu

Zweimal tauchte Deutschland im $450.000 (Open) bzw. $200.000 (Frauen) Preispool auf. Im geschlechteroffenen Blitz-WM-Turnier wurde Rasmus Svane aus Deutschland 34. ($1.600), bei den Frauen landete Dinara Wagner aus Deutschland auf dem 10. Rang ($2.500).

Rasmus Svane (GER)
Dinara Wagner (GER)

Carlsen vs FIDE – 2:1

Die Schach-WM im Schnell- und Blitz-Schach in New York war nicht nur mit dem Rapid Chess Titel am Brett für den norwegischen Großmeister und stärksten Spieler aller Zeiten ein Erfolg, auch auf dem Nebenschauplatz gegen die FIDE konnte sich Magnus Carlsen mit 2:1 durchsetzen, indem er von heute auf morgen die Jeans im Schach salonfähig machte und dann auch noch entschied, dass es diesmal zwei Weltmeister geben würde.

Zwei Gewinner, aber nur eine Trophäe: Magnus Carlsen & Ian Nepomniachtchi

Von vielen Schachfans wurde er dafür gefeiert, dass er gegen die festgefahrenen Strukturen rebellierte, aber von genauso vielen Schachfans auch kritisiert, da er mit seiner Sonderbehandlung die Reputation der ganzen Veranstaltung für die Schachwelt gefährde.

Letzte Schach-WM für Magnus Carlsen

In den Interviews mit Gotham Chess nahm Magnus Carlsen kein Blatt vor den Mund und stellte ganz offen in den Raum, dass dies seine letzte Weltmeisterschaft gewesen sein könnte. Ganz offensichtlich, weil er mit den Rahmenbedingungen nicht zufrieden war und lieber sein „Freestyle Poker“ voranbringen möchte.

Wir können dem norwegischen Ausnahmespieler und Unibet Poker Pro Player nur empfehlen demnächst wieder zu den Pokerkarten zu greifen. Ob es dort auch schon zu einem WM-Titel reichen würde, vermögen wir nicht zu sagen, aber eines ist zumindest sicher: Poker darf Magnus Carlsen auch gern in Jeans spielen!

Magnus Carlsen

 

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