Eine Hand – zwei Meinungen mit Robert Auer vs. Sebastian Gohr!

0

Eine Hand – zwei Meinungen

Robert Auer vs. Sebastian Gohr

aur

 

 

 

„Poker nach Lehrbuch“ ist ein geflügeltes Wort. Wieso spielen Profis Hände dennoch so unterschiedlich? Um Einblick in die Denkweise des Profis zu bekommen, haben wir zwei Pros mit der gleichen Konstellation konfrontiert. Dass die verschiedenen Poker-Spieler die Hände zum Teil sehr unterschiedlich spielen, beweisen wir wieder einmal in unserer Rubrik „Eine Hand – zwei Meinungen“. Wir befragten mit Robert Auer und Sebastian Gohr zwei erfolgreiche Poker-Pros.

Handanalyse der Pros

Handbeschreibung:

gohr

 

 

 

Die folgende Hand spielte sich am Final Table des €1.100 Berlin Cups (EPT Festival Berlin 2013) ab. Zu diesem Zeitpunkt waren noch fünf Spieler im Turnier und der Russe Anatoly Filatov war Chipleader mit 5.560.000. Der Average lag bei ca. 3.450.000. Die Blinds betrugen 30.000/60.000 mit einer Ante von 5.000.

Anatoly Filatov (RUS) UTG / Stack: 5.560.000 Ah Qc

Sebastian Gohr (GER) Button / Stack 3.890.000 Qh Td

Anatoly eröffnete die Hand mit einem UTG-Raise auf 150.000 und Sebastian callte vom Button:

Potsize: 415.000

Flop: 6h 7h 9s

Anatoly checkte und Sebastian spielte 175.000 an, die vom Russen bezahlt wurden.

Potsize: 765.000

Turn: 3d

Anatoly checkte und Sebastian setzte 550.000. Wieder kam der Call von Anatoly.

Potsize: 1.865.000

River: 5h

Anatoly checkte erneut und nun feuerte Sebastian 800.000 in die Mitte. Der Russe callte nach kurzem Überlegen und Sebastian warf seine Hand direkt in den Muck. Anatoly zeigte Ah Qc für A Q High.

Potsize: 3.465.000

 

Meinung Robert Auer

Robert AuerAnatoly Filatov eröffnet UTG auf 2,5 BBs, es wird zu Sebastian Gohr am Button gefoldet. Sebastian entscheidet sich nun mit Q10 offsuit zu callen, was meiner Meinung nach sehr fragwürdig ist. Es gibt keinerlei Grund, sich hier mit einer marginalen Hand mit dem Chipleader anzulegen, es sei denn, Anatoly Filatov hat zu diesem Zeitpunkt sehr viel Druck gemacht und so gut wie jede Hand eröffnet. Doch auch dann ist ein Call am Button meiner Meinung nach nicht die strategisch beste Entscheidung. Sebastian hält hier mit knapp 3,9 Millionen Chips über 60 BBs. Er ist damit über dem Average und es sind noch zwei Spieler am Tisch, die weniger Chips haben als er. Muss man jetzt unbedingt mit Q10o callen, oder macht ein Reraise hier mehr Sinn? Mit einer 3-Bet kann man eine stärkere Hand repräsentieren und es wird für den Gegner schwieriger die Hand weiterzuspielen, da Sebastian Position auf ihn hat. Entscheidet sich Anatoly daraufhin für eine 4-Bet, kann Sebastian einfach folden und hat somit einige Chips gespart oder er macht eine 5-Bet, was in dieser Situation ein super starker Move gewesen wäre. Anatoly hätte eine sehr schwierige Entscheidung gehabt, da er dann nur folden oder All-In pushen könnte. Aufgrund seines Chipleads und der Stacks der anderen Spieler hätte er wahrscheinlich folden müssen.

Aber gut, wir befinden uns nun in der Situation, dass Sebastian hier Preflop nur callt. Im Pot sind 415.000 Chips, beide verpassen den Flop und es wird zu Sebastian gecheckt. Dass er hier anspielt, ist keine schlechte Idee. Der Flop ist 679 mit zwei Herzen und Anatoly zeigt Schwäche, indem er checkt. Im Normalfall sitzt er hier auf den Nuts oder auf reiner Luft, somit macht es durchaus Sinn den Flop anzuspielen und auch die Betsize ist gut gewählt.

Er setzt 175.000 in einen 415.000 Chips großen Pot. Meiner Erfahrung nach hat er den Flop super getroffen und setzt deswegen „nur” 175k, oder er hat rein gar nichts auf der Hand. Ich glaube, dass Sebastian mit einem gefloppten Flush- oder Straight Draw mindestens die Hälfte des Pots setzt und da Anatoly bereits 150.000 Chips investiert hat, ist sein Call mit Ass hoch völlig berechtigt. Sebastian kann die Nuts haben, allerdings auch einfach nur ein schwaches Ass oder sowas wie KQ, KJ usw.. Ein kleines Paar kann man an dieser Stelle so gut wie auszuschließen, da er 5way Preflop am Button mit jedem Paar hätte 3-betten müssen!

Der Turn bringt die Karo Drei, eine absolute Blank, da weder der Flush noch die Straight ankommt. Der Russe checkt und Sebastian feuert nun 550.000 Chips in einen 765.000 Chips großen Pot. Eine sehr gute Bet! Knapp 75% des Pots, was verdammt nach Value aussieht. Doch auch hier entscheidet sich Anatoly für den Call, was dafür spricht, dass er Sebastian hier tatsächlich nur einen Flush Draw, Straight Draw oder reine Luft wie KQ,KJ..usw. gibt. Nun sind bereits 1.865.000 Chips in der Mitte und wir sehen die Herz Fünf am River! Sowohl die Straight, als auch der Flush kommen an und es wird wieder zu Sebastian gecheckt.

Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass er hier weder den Flush, noch die Straight mt beispielsweise A8 haben kann, da er mit beiden Händen mit Sicherheit eine Contibet am Flop gemacht hätte. Auch ein Set oder die gefloppte Straight hätte er spätestens am Turn gecheckraised und deswegen ist die Entscheidung von Sebastian nochmal zu feuern vollkommen in Ordnung! Was kann Anatoly hier haben? AK, AQ? Beide Hände muss er bei diesem River aufgeben, sofern die Höhe der Bet gut gewählt wurde. Wir erinnern uns, dass Sebastians Bet am Flop (ca. 40%) zu niedrig war, um meiner Meinung nach einen Flush- oder Straight Draw repräsentieren zu können, aber durch die Bet am Turn (ca. 75%) schon! Jetzt kommt jeder mögliche Draw am River an und Sebastian entscheidet sich natürlich ein drittes Mal zu feuern. Betsizes sind äußerst wichtig, und hier ist die Höhe der Bet nicht optimal. Sebastian setzt 800.000 Chips in einen Pot von über 1,8 Millionen, ca. 40% des Pots! Er kann Anatoly weder den Flush noch die Straight geben und sollte deshalb selber dafür stehen! Ich habe die Erfahrung gemacht, dass hohe Bets am River meistens sehr starke Hände und kleine Bets am River sehr schwache Hände sind. Das ist zwar nicht immer, aber sehr häufig der Fall. Jetzt kommt noch dazu, dass die beiden wahrscheinlich schon stundenlang in diesem Turnier zusammen am Tisch saßen und Anatoly vielleicht ein paar Livereads/Tells auf Sebastian hatte. Berücksichtigt man all diese Informationen, dann ist der Call von Anatoly vollkommen berechtigt! Ich kann nicht sagen, ob ich an Anatolys Stelle ebenfalls gecallt hätte, da ich am Flop eine Contibet gemacht hätte und somit eine ganz andere Situation entstanden wäre!

Nichtsdestotrotz hat Sebastian beim Berlin Cup eine sehr starke Leistung gezeigt und konnte Anatoly am Ende mit einem 2. Platz sogar noch hinter sich lassen! Herzlichen Glückwunsch!

 

Meinung Sebastian Gohr

Sebastian GohrZunächst einmal ein paar Worte zu der Ausgangslage. Anatoly war durchgehend der aktivste Spieler am Tisch. Ich habe mit ihm schon den ganzen Tag vor dem Final Table am selben Tisch gesessen, wo er durch sehr looses und aggressives Spiel aufgefallen ist.

Bedingt durch seinen Chiplead und der relativ steilen Auszahlstruktur (ungefähr 180k, 120k und 60k für die ersten drei Plätze), war es ihm möglich, viel Druck am Final Table auszuüben.

Obwohl er sich in dieser Hand in einer schlechten Position (UTG) befindet, openraised er hier noch einen großen Teil seiner Hände. Ich vermute, dass er gut 40 Prozent (22+, A2s+, K2s+, Q5s+, J7s+, T7s+, 97s+, 86s+, 76s, 65s, 54s, A2o+, K7o+, Q9o+, J9o+, T9o, 98o) seiner Hände spielt.

Ich befinde mich mit QTo am Button. Ein Reraise kommt hier nicht in Frage, da er quasi keine besseren Hände foldet und ich einige seiner Hände dominiere.

Ich vermute, dass er meine Range auf Broadway-Karten, größere Suited Connectors, suited Ax, wenige offsuited Ax und Pocket Pairs von 22 bis 99 schätzt.

Der 6h 7h 9s Flop ist für mich sicher nicht optimal, jedoch habe ich mit zwei Overcards, einem Gutshot und einem Backdoor Flushdraw relativ gute Equity. Ich vermute, dass er in diesem Fall Hände ohne Showdown Value sehr oft selbst bettet. Ich halte mit QT selten die beste Hand und entscheide mich deshalb für eine Bet.

Er wird hier viele Ax und Kx, eventuell auch 22, 33 und 44 aufgeben, da er oft schon behind ist oder auf vielen Turns aufgeben muss. Wir sind mit 65 Big Blinds auch relativ deep, was ihn bis zum River in sehr unangenehme Situationen bringen kann.

Er check-callt also und der Turn ist eine Karo Drei. Diese Karte ändert nichts an der Ausgangslage, da sie lediglich die Straight mit 54(s) komplettiert und diese Hand nach der bisherigen Action äußerst unwahrscheinlich ist. Außerdem macht sie nur einen verschwindend geringen Anteil an unseren Ranges aus.

Die meisten Spieler haben auf solchen Boards eher schwache Check-Calling Ranges, da sie viele Monster lieber schnell spielen, um sie gegen Draws zu protecten.

Ich bette den Turn noch einmal relativ groß, um AJ+, Bottom- und Middle Pairs zum Folden zu bringen und um auf verschiedenen Riverkarten komplettierte Straights und Flushes repräsentieren zu können.

Gegen viele Gegner ist dieser Spielzug in Ordnung, allerdings weiß ein kompetenter Spieler wie Anatoly auch, dass die Anzahl der Hände, die ich hier for Value bette (66, 77, 88, 99, A9, K9s), relativ gering im Vergleich zu meiner Bluffingrange ist.

Der River bringt eine Herz Fünf, die sowohl den Flush, als auch die Straight (alle 8x) komplettiert.

Diese Karte verbessert meine Range deutlich häufiger als seine, da er Flush Draws meistens aktiver gespielt hätte. Allerdings halte ich hier selten eine Straight, da ich außer 88 und A8 wenige 8x Hände haben kann.

Weil ich vor dem Flop kleine suited Karten eher reraisen würde und solche Hände in einer bestimmten Farbe nur genau eine mögliche Kombination haben, gibt es nur begrenzt viele Möglichkeiten für einen Flush.

Das führt dazu, dass meine Range relativ polarisiert ist zwischen Air und ein paar wenigen starken Händen (Sets, Straights, Flushes). Unter Umständen vermutet er sogar, dass ich Sets hier behind checke, da es nur wenige schlechtere Hände gibt, die noch einmal check-callen.

Deswegen denke ich, dass der Bluff gegen starke Gegner nicht so gut ist.

Ich finde den Call von Anatoly gut, vor allem, weil er mit dem Herz Ass die Anzahl meiner möglichen Flushes noch einmal deutlich reduziert.

 

 

 

 

 

 

Hinterlasse eine Antwort

Please enter your comment!
Please enter your name here