Der Poker Skandal um Nacho Barbero und das Benutzung von Real Time Assistance (RTA) im Venom Turnier auf Americas Cardroom (ACR) hat heftige Wellen geschlagen. Immer mehr Spieler haben sich zu Wort gemeldet, allerdings weniger bezogen auf die Situation um Nacho Barbero, sondern generell mehr bezüglich des Themas RTA und Echtzeit Solver allgemein in Online Poker Räumen. Vor allem steht das Image von ACR (mal wieder) auf dem Spiel, aber auch die Reputation von Super High Roller Nacho Barbero. – Wie in unserem Artikel auf hochgepokert angekündigt, hat sich Patrick „pads“ Leonard jetzt der Sache angenommen und alle Hände analysiert, die Barbero im Venom gespielt hat. Was dabei rausgekommen ist, und ob das gut, schlecht oder einfach wenig schmeichelhaft für Barbero ist, verraten wir euch hier.
Die Ausgangssituation
Der ACR Ambassador Nacho Barbero ist auf Americas Cardroom quasi das Gesicht des Venom Tournaments, einem der Aushängeturniere im ACR-Schedule. Als er dafür auf seinem Instagram-Account mit einem Foto von seinem Bildschirm Werbung machen wollte, war ihm wohl nicht bewusst, dass der zwischen den ACR-Tischen geöffnete GTO Wizard wohl keine gute Werbung für die nicht-regulierte Online-Plattform war.
Barberos Aussage dazu war, dass er 4 Pokerschüler zeitgleich gecoacht habe, und deren Hände anhand von GTOWizard während seiner Online-Session mit ihnen analysiert habe.
Die erste Reaktion von ACR auf seinen Social Media Kanälen war mindestens so unbedacht, wie Barberos Screenshot. Auf das erste verniedlichende ACR Posting, in dem es hieß Barbero wäre nur lediglich ein „goofball“, der nicht ansatzweise GTO spielen würde, kam die Rolle rückwärts und Barbero wurde erst einmal von ACR-Seite aus dem Verkehr gezogen, bis die Sache geklärt ist.
ACR PR-Desaster – Hat Nacho Barbero online betrogen? Patrick Leonard übernimmt Aufklärung!
Patrick Leonard tritt auf den Plan
Leonard, der als Ambassador einer anderen Pokerseite, bestimmt nicht den Feuerwehrmann für ACR spielen möchte, interessierte sich allerdings für die Hintergründe und konnte vielleicht auch nicht mit ansehen, wie ein etwas schusseliger Nacho Barbero ans Messer geliefert wurde. Patrick „pads“ Leonard sprach sich zwar direkt dafür aus, dass das Verhalten von Barbero Konsequenzen für diesen haben müsse, aber vor allem dafür, dass Solver ein Delay bekommen müssten.

Dennoch machte er es sich persönlich zur Aufgabe Barberos mehr als 1.300 Venom-Hände durchzusimulieren, inwieweit sie einer GT-optimalen Spielweise entsprochen haben. – Nach zwei Tagen im Kämmerlein mit den Barbero-Händen, GTO Wizard und S4YTV (SolveForWhyTV) präsentierte „pads“ heute auf seinem Twitter-Account das Ergebnis seiner Analyse.
Was hat „pads“ entdeckt?
Die über 1.300 Hände (652 davon im Detail) von Nacho Barbero im Venom hat Patrick Leonard in 6 Teilen (wo Teil 3 geblieben ist, wissen wir auch nicht) analysiert. Dabei stellte er noch einmal heraus, dass er nicht für oder gegen Nacho Barbero argumentieren werde. Unmissverständlich machte er aber auch klar, dass es technisch nicht zugelassen werden könnte, dass ACR und GTO Wizard gleichzeitig laufen würden, vielmehr müsse die ACR Software sich sofort schließen, sobald sie eine geöffnete Instanz von GTOWizard entdecken würde.
Teil 1: Analyse von Nachos offiziellem GTO Wizard Account
GTO Wizard hatte Patrick Leonard die Hand-Aufrufe (sehr wahrscheinlich im Einvernehmen mit Barbero) von Nacho Barbero zur Verfügung gestellt. Der Brite konnte sehen, dass der Argentinier den gesamten besagten Tag nur 1 Trainingsszenario am Morgen und zwei weitere Hände im Laufe des Tages post-flop analysiert hatte.
Teil 2: Anlayse von Nachos Pre-Flop & GTO Genauigkeit
Da GTO Wizard keine Pre-Flop Search Hand History speichert und somit auch nicht übermitteln kann (was Leonard kritisiert), machte „pads“ sich die Mühe, selber alle pre-flop-Entscheidungen anhand ihrer GTO-Genauigkeit zu überprüfen. Damit wollte er sehen, ob Barbero GTOWizard evtl. pre-flop eingesetzt hat, oder evtl. einen weiteren GTOWizard Account (multi-accounting) verwendet hat, der nicht auf seinen Namen läuft. – Dabei kam er zu dem Schluss, dass Barbero von 1.050 Händen 23% preflop (vpip) gespielt hat, was 240 Händen entspricht. In 105 Fällen (ca. 40%) hat Barbero die Hände GTO-mäßig falsch gespielt, was einem durchschnittlichen EV-Verlust von 2.17/100 Händen entsprach.
Teil 4: Analyse von 3-Bet Pots
Leonard schaute sich dies 3-Bet-Hände im Detail an, weil das in der Regel die Hände sind, in denen mit GTO Wizard gecheatet wird, weil zum einen die Pots größer sind, zum anderen weil die spieltheoretischen Zweige dann weniger komplex sind. Dabei greift Leonard auf seine Kenntnisse in Bezug auf Fedor Kruse und seine „Dream Machine 2.0“ zurück, deren Existenz er wesentlich mitaufgeklärt hatte.
Bei der Analyse von Nacho Barberos (zu kleinen) Bet Sizings kommt Leonard zu dem Schluss, dass sie so nie von GTOWizard vorgeschlagen werden würden und nur von einem Livespieler stammen könnten.
Teil 5: Wie Patrick Leonard die PF-Spots analysierte
Von den Preflop-Situatioenn hat sich Leonard all diejenigen angesehen, in denen Nacho Barbero die Top-25% der Hände gespielt hat. Dabei kam „pads“ zu dem Schluss, dass Barbero immer zu kleine Bets setzt, und regelmäßig den Big Blind overcallt.
Teil 6: Analyse von möglicher Collusion & Bounty Ideen
Für Collusion findet Patrick Leonard ebenfalls keine Anhaltspunkte. Eine Hand aus einem anderen 1k PKO Turnier gegen Alex Kulev (der mit J9s all-in geht), konnte Kulev selber in den Kommentaren des Tweets entkräften.
Fazit
Nach über 10-stündiger Analyse ist sich Patrick Leonard sicher, dass Nacho Barbero in keinster Weise preflop oder postflop GTO Wizard benutzt haben kann. In den untersuchten Spots hat Barbero fast immer ein anderers Sizing oder eine andere Handselection genutzt als von GTO Wizard vorgesehen wäre. Auch die HandHistory in Nacho Barberos GTO Wizard unterstrich, dass das Tool nicht für das Venom Tournament genutzt wurde.
Viel mehr wurde deutlich, wie sehr Nacho Barbero in seinem Live-Poker-Habitus gefangen ist, und konstant mit seinen Entscheidungen daneben liegt. Logischerweise war das natürlich auch ein gefundenes Fressen für einige Internet-Trolle, denen sich auch prominente Pokerspieler anschlossen…
bro @nacho_barbero, he called you a fish pic.twitter.com/U1Q73wHMcL
— Mario Mosböck (@mariomosboeck) February 4, 2025
Und auch Barbero wusste am Ende nicht, ob er sich über die Beurteilung von Patrick Leonard freuen oder darüber weinen sollte…
dont know if to be happy or to cry about this post
— Jose Ignacio Barbero (@nacho_barbero) February 3, 2025
Abgesehen von dem spieltheoretischen Freispruch, den Leonard mit seiner Anlyse Nacho Barbero erteilt hat, unterstreicht „pads“ aber auch ganz klar, dass das geöffnete GTO Wizard-Fenster während einer Online Poker Session ein No-Go ist, und dass gerade Nacho Barbero als Ambassador von ACR wesentlich höhere Maßstäbe, was Game Integrity angeht, anlegen müsste.
Leonard sagt auch ganz klar, dass es nicht zu verhindern wäre wenn jemand preflop mit GTO Wizard cheate, und dass dies ganz klar durch einen Austausch der Softwarehersteller (Poker Client + Solvertool) unterbunden werden müsse. Er persönlich gehe – auch nach seiner anonymen Umfrage, die er dazu gestartet hatte – davon aus, dass in solchen Turnieren wie dem Venom 10% der Teilnehmer RTA nutzen.
Patrick „pads“ Leonards Analyse des Nacho/ACR/RTA-Skandals:
I spent this weekend doing an investigation into the Nacho Barbero GTOW/ACR/Venom scandal. I tried to provide as much information/data/actual hands to give a representation of his game play on that day. I went over 1300 hands (652 in detail) analysed his GTOW history and used the… https://t.co/omQeYGLNIM pic.twitter.com/AU2ZziYb7B
— Patrick Leonard 🫡 (@padspoker) February 3, 2025
Ist die Sache damit abgeschlossen… oder kommen noch Joey Ingram und Doug Polk???
Wahrscheinlich hat Patrick Leonard mit seiner Analyse Nacho Barbero den Hintern gerettet. Und zumindest dahingehend könnte man die Sache für abgeschlossen erklären. Allerdings hat die Diskussion und auch die Analyse von Leonard einen viel größeren Stein ins Rollen gebracht, der die grundsätzlich Regulierung von RTA im Allgemeinen und GTO Wizard im Speziellen fordert. Dabei ist die Pokerindustrie gefragt Lösungen zu finden, während – wie es „pads“ macht – an die Spieler nur appelliert werden kann, einen kühlen Kopf zu bewahren und keine Hexenjagden zu starten, weil man befürchte, oder bereits persönlich betroffen gewesen sei, gegen RTA-Cheater und Bots Geld zu verlieren.
Die Nacho-Barbero-Venom-Situation sollte allerdings erst einmal abgeschlossen sein, es sei denn Joey Ingram oder Doug Polk treten ebenfalls noch als Pokerdetektive mit einem entsprechenden Video in Erscheinung….
